Rz. 24
Besteht Streit über die Wirksamkeit des Vergleichs, ist das alte Verfahren fortzuführen; die Rechtshängigkeit lebt rückwirkend wieder auf (BSG, Urteil v. 28.11.2002, B 7 AL 26/02 R, SozSich 2004 S. 143; BSGE 7 S. 279, 281 = SozR § 101 Nr. 2; BSG, Urteil v. 16.11.1961, 7/9 RV 866/59, SozR § 101 Nr. 4). Denn ergibt sich die Unwirksamkeit des Vergleichs, ist dieses Verfahren noch nicht beendet. Jeder Beteiligte kann die Fortsetzung des Verfahrens beantragen. Gelangt das Gericht zu der Auffassung, das Verfahren sei nicht durch wirksamen Vergleich beendet, so entscheidet es über die Sachanträge und führt in der Begründung zur Unwirksamkeit des Vergleichs aus. Es kann auch ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit des Sachantrags aussprechen. Gelangt es zu der Auffassung, das Verfahren sei durch wirksamen Vergleich beendet, stellt es dies nach h. M. durch Urteil fest (BSG, Urteil v. 28.11.2002, B 7 AL 26/02 R, SozSich 2004 S. 143; LSG NRW, Urteil v. 29.1.2002, L 6 SB 164/01, HVBG-INFO 2002 S. 3097, 3098; LSG Brandenburg, Urteil v. 22.2.2002, L 3 KN 43/01, HVBG-INFO 2003 S. 399; Leitherer, in: Meyer-Ladewig, § 101 Rn. 17a). Nach a. A. ist die Klage als unzulässig abzuweisen (Pawlak, in: Hennig, § 101 Rn. 35).
Die Frage, ob eine von dem Kläger im Rahmen des Vergleichs abgegebene Erledigterklärung wegen eines Erklärungsirrtums oder einer Täuschung angefochten werden kann, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung i. S. d. § 144 Abs. 2 Nr. 1 (BSG, Beschluss v. 2.7.1998, B 13 RJ 187/97).
Rz. 25
Wird dagegen über den Inhalt des Vergleichs oder über rechtsvernichtende Einwendungen gestritten, d. h. über die Auslegung, den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 3 BGB), Kündigung, Rücktritt oder Ähnliches (vgl. BSGE 19 S. 112), so muss hierüber in einem neuen Verfahren entschieden werden. Erlässt die Behörde zur Ausführung des Vergleichs einen Bescheid, so muss dieser Bescheid angefochten werden. Die Behörde kann den Vergleich nicht durch einen Verwaltungsakt unwirksam machen oder ihn als unwirksam übergehen (BSGE 7 S. 279, 280).
Ist durch rechtskräftiges Urteil bereits festgestellt, dass ein wirksamer Vergleich geschlossen worden ist, kann die Unwirksamkeit nicht mehr in einem neuen Verfahren geltend gemacht werden. Wird sowohl die Nichtigkeit des Vergleichs als auch ein späterer Rücktritt geltend gemacht, ist über beides im Rahmen des früheren, fortgesetzten Verfahrens zu entscheiden.
Rz. 26
Im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse kommt neben einem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 3 BGB (i. V. m. § 61 Satz 2 SGB X) sowie einer Vertragsanpassung nach § 59 SGB X (vgl. hierzu LSG NRW, Urteil v. 30.8.2000, L 17 U 157/98) oder § 313 Abs. 1 und 2 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) eine Bescheidaufhebung nach § 48 SGB X (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 12.12.2013, B 4 AS 17/13 R, SozR 4-1500 § 192 Nr. 2; LSG Sachsen, Urteil v. 19.2.2013, L 7 VE 15/11; LSG NRW, Urteil v. 28.8.1998, L 14 RA 27/97, E-LSG SF-044) oder auch eine Abänderungsklage nach § 202 SGG i. V. m. § 323 Abs. 4 ZPO, wenn die ursprüngliche Klage eine echte Leistungsklage war, in Betracht (zu Letzterem Zeihe, § 101 Rn. 4e).