Rz. 2
§ 105 findet nur im erstinstanzlichen Verfahren Anwendung. Für das Berufungsverfahren ist er nach § 153 Abs. 1 ausdrücklich ausgeschlossen. Soweit nicht in der ersten Instanz durch Gerichtsbescheid entschieden worden ist, besteht für das LSG die Möglichkeit der Beschlussfassung nach § 153 Abs. 4 (vgl. hierzu auch BSG, Beschluss v. 13.4.2011, B 14 AS 123/10) oder nach § 158 Satz 2 (BSG, Beschluss v. 8.4.2014, B 8 SO 22/14 B, SozR 4-1500 § 158 Nr. 7). Eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 setzt nicht wie § 105 voraus, dass die Streitsache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art enthält (BSG, Urteil v. 23.12.1996, 5 BJ 196/96). Auch insoweit ist aber eine enge Anwendung und Auslegung erforderlich (BSG, Beschluss v. 20.11.2003, B 13 RJ 38/03 B, SozR 4-1500 § 153 Nr. 1 = Breithaupt 2004 S. 327 = SGb 2004 S. 445). Der Gesetzentwurf des Bundesrats zum letzten SGGArbGÄndG sah noch die Möglichkeit der Beschlussfassung im Berufungsverfahren auch nach Erteilung eines Gerichtsbescheides vor, um das Verfahren weiter zu beschleunigen und eine Anpassung an die VwGO zu erwirken (vgl. BT-Drs. 684/06); in das Gesetz wurde dieser Vorschlag aber nicht übernommen, was angesichts der Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des § 158 Satz 2 auch problematisch gewesen wäre. Stattdessen sieht § 153 Abs. 5 seit dem 1.4.2008 die Möglichkeit der Übertragung der Angelegenheit auf den Berichterstatter vor, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheiden kann. Ein Beschluss nach § 158 Satz 2 stellt nach dem Beschluss des BSG vom 8.11.2005, B 1 KR 76/05 B, SozR 4-1500 § 158 Nr. 2, eine Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter dar. Das LSG kann aber durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn es erstinstanzlich tätig wird, etwa bei einem Streit über den Risikostrukturausgleich nach § 29 Abs. 3 oder bei Entscheidung über eine erst in der Berufungsinstanz erhobene Widerklage. Das hat das BSG ausdrücklich für Entschädigungsklagen nach § 198 GVG entschieden (Beschluss v. 12.2.2015, B 10 ÜG 8/14 B). Sogar das BSG kann durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn es in erster Instanz nach § 39 Abs. 2 tätig wird, soweit die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 vorliegen. Im Revisionsverfahren findet § 105 dagegen keine Anwendung, § 165 i. V. m. § 153 Abs. 1.
Rz. 3
Bei der Anwendung und Auslegung des § 105 ist zu berücksichtigen, dass die Vorschrift eine Ausnahmeregelung von den Grundsätzen der Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung, § 124 Abs. 1, und durch Urteil, § 125, darstellt. Ein Gerichtsbescheid kommt von vornherein nur in Betracht, wenn das Gericht ansonsten durch Urteil zu entscheiden hätte, also nicht, wenn ein Beschluss vorgesehen ist wie insbesondere im einstweiligen Verfahren. Nach der Rechtsprechung des BSG (Beschluss v. 8.4.2014, B 8 SO 22/14 B, SozR 4-1500 § 158 Nr. 7; Beschluss v. 8.11.2005, B 1 KR 76/05 R, SozR 4-1500 § 158 Nr. 2, sowie BSG, Urteil v. 16.3.2006, B 4 RA 59/04 R, SozR 4-1500 § 105 Nr. 1 = NZS 2007 S. 51) ist § 105 i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 zudem eine Ausnahme zu der Besetzungsregelung des § 12 Abs. 1 Satz 1, was bei der Auslegung und Anwendung ebenfalls zu berücksichtigen ist, da ein Verstoß gegen die Besetzungsregelung einen Verstoß gegen das Prinzip des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt und zu einem absoluten Revisionsgrund nach § 202 SGG i. V. m. § 551 Nr. 1 ZPO führt.