Rz. 8

Auch § 108 Satz 2 ist Ausfluss des Anspruchs jedes Verfahrensbeteiligten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG). Wer Verfahrensbeteiligter ist, wird durch § 69 bestimmt.

Teilt das Gericht einen Schriftsatz mit Sachausführungen den übrigen Beteiligten nicht mit, so liegt darin ein wesentlicher Verfahrensmangel, und zwar auch dann, wenn das Gericht die Auffassung vertritt, es komme auf den Inhalt des Schriftsatzes überhaupt nicht an (BSG, Urteil v. 11.12.1979, 7 RAr 113/78, SozSich 1980 S. 156). Versäumt es das Gericht, den übrigen Beteiligten in der mündlichen Verhandlung Mitteilung von einem bestimmten Tatsachenvortrag zu machen, so darf es nach § 128 Abs. 2 das Urteil nicht auf diesen Vortrag stützen.

Teilt das Gericht einen Schriftsatz, der neues Vorbringen enthält, erst kurz vor der mündlichen Verhandlung mit, so läuft es Gefahr, die Verhandlung vertagen zu müssen, wenn der betroffene Beteiligte dies beantragt, um sich ausführlich mit dem neuen Vortrag auseinandersetzen zu können (vgl. BSG, Beschluss v. 23.10.2003, B 4 RA 37/03 B, SozR 4-1500 § 62 Nr. 1).

 

Rz. 9

Die Mitteilungspflicht nach § 108 Satz 2 besteht für das Gericht auch dann, wenn der betreffende Schriftsatz keinen Tatsachenvortrag enthält, sondern nur Rechtsausführungen. (BSG, Urteil v. 1.12.1972, 12/3 RK 68/71, USK 72180). Die zu dem Schriftsatz gehörenden Anlagen müssen ebenfalls mitgeteilt werden, denn sie sind regelmäßig Bestandteil des Sachvortrags (vgl. BSG, Urteil v. 2.9.1964, 11/1 RA 59/63, SozR § 107 Nr. 4). Keine Mitteilungspflicht besteht hingegen für bloße Anfragen oder Mitteilungen ohne materiellen Inhalt, da hier der Bezug zum Anspruch auf rechtliches Gehör fehlt. So müssen z. B. eine Sachstandsfrage, die Anregung zu terminieren, Mitteilungen über vorübergehende Ortsabwesenheit eines Beteiligten oder Bevollmächtigten und Ähnliches nicht übermittelt werden.

 

Rz. 10

Auf welche Weise das Gericht seiner Mitteilungspflicht nachkommt, ist gesetzlich nicht geregelt. Regelmäßig wird das Gericht eine Abschrift des Schriftsatzes übersenden. Die Zuleitung des Originals mit der Bitte um Rücksendung kann insbesondere bei Unterlagen größeren Umfangs erfolgen. Dem Betroffenen steht es dann anheim, sich Ablichtungen von dem Teil der Unterlagen zu fertigen, den er für entscheidungserheblich hält. Die Bereitstellung von Unterlagen im Termin zur mündlichen Verhandlung oder einem Erörterungstermin i. S. d. § 106 Abs. 3 Nr. 7 ist ebenso möglich. Bei Bereitstellung zur Einsicht erst im Termin zur mündlichen Verhandlung droht indessen nach dem oben Gesagten eine Vertagung.

 

Rz. 11

Verfahrenstechnisch hat der Gesetzgeber den § 108 Satz 2 um die sich an den vortragenden Beteiligten richtende Vorschrift des § 93 Satz 1 ergänzt, wonach der Klageschrift, den sonstigen Schriftsätzen "und nach Möglichkeit den Unterlagen" Abschriften für die Beteiligten beizufügen sind.

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