1 Allgemeines
Rz. 1
§ 116 normiert drei verschiedene Rechte der Beteiligten.
Die Benachrichtigung der Beteiligten verfolgt den Zweck, ihnen Gelegenheit zu geben, sich ebenso wie das Gericht einen unmittelbaren Eindruck von der Beweisaufnahme zu verschaffen und ihren Sachvortrag danach auszurichten. § 116 stellt insofern sicher, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG verwirklicht werden kann.
Dass die Beteiligten der Beweisaufnahme beiwohnen können, ist Bestandteil des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Prinzips der Beteiligtenöffentlichkeit.
Das Recht, sachdienliche Fragen an Zeugen und Sachverständige richten zu lassen, stellt wiederum sicher, dass der Anspruch auf rechtliches Gehör verwirklicht werden kann (vgl. BSG, Beschluss v. 12.12.2006, B 13 R 427/06 B, juris; BSG, Beschluss v. 27.11.2007, B 5a/5 R 60/07 B, SozR 4 – 1500 § 116 Nr. 1; BSG, Beschluss v. 19.11.2009, B 13 R 247/09 B, juris; BSG, Beschluss v. 9.12.2010, B 13 R 170/10 B, juris).
2 Rechtspraxis
Rz. 2
§ 116 gilt ausnahmslos für alle Beteiligten, also auch für die Beigeladenen. Die Vorschrift gilt sowohl für die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung als auch für diejenige nach § 106 Abs. 3 Nr. 4. Ein Verstoß gegen die Benachrichtigungspflicht ist ein schwerwiegender Verfahrensfehler. Wird sich das Gericht rechtzeitig dessen bewusst, muss die Beweisaufnahme wiederholt werden. Fällt der Verfahrensverstoß in der mündlichen Verhandlung auf, so hat das Gericht § 127 zu beachten. Ein dem nicht erschienenen und nicht benachrichtigten Beteiligten ungünstiges Urteil darf dann nicht ergehen. Die Benachrichtigungspflicht des Gerichts geht jedoch nicht so weit, dass den Beteiligten vorab die Gründe für die betreffende Beweisaufnahme eröffnet werden müssten. Insbesondere gibt es keinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichtet, den Beteiligten eine mit Begründung zu versehende Klarstellung zu übermitteln, dass und warum ein vorliegendes Gutachten ungenügend ist und mithin ein weiteres Gutachten gemäß § 412 Abs. 1 ZPO durchgeführt wird. Dies gilt auch, soweit das Gericht ein Gutachten nach § 109 eingeholt hat (BSG, Beschluss v. 7.12.1998, B 2 U 269/98 B, HVBG-INFO 1999 S. 1371 f.).
Rz. 3
Das Anwesenheitsrecht bei der Beweisaufnahme betrifft das terminliche Geschehen bei Gericht. Die Anordnung eines schriftlichen Gutachtens nach körperlicher Untersuchung eines Beteiligten macht die Untersuchung nicht zu einem Beweisaufnahmetermin i. S. d. § 116. Ein Anwesenheitsrecht der übrigen Beteiligten besteht nicht. Ist ein schriftliches Sachverständigengutachten erstellt, so haben die Beteiligten sodann grundsätzlich einen Anspruch auf Befragung dieses Sachverständigen im Termin. Das Fragerecht besteht unabhängig von dem seitens des Gerichts pflichtgemäß auszuübenden Ermessen (vgl. § 411 Abs. 3 ZPO) darüber, ob der Sachverständige sein Gutachten in einem Termin zu erläutern hat (BSG, Beschluss v. 5.2.2009, B 13 R 561/08 B, juris; BSG, Beschluss v. 5.5.2009, B 13 R 53/09 B, juris; BSG, Beschluss v. 27.8.2009, B 13 R 185/09 B, juris; BSG, Beschluss v. 19.11.2009, B 13 R 247/09 B, juris; BSG, Beschluss v. 9.12.2010, B 13 R 170/10 B, juris; vgl. auch Kommentierung zu § 118 Rn. 8c). Es besteht auch dann, wenn das Gutachten nach § 109 eingeholt worden war (BSG, Beschluss v. 20.7.2005, B 13 RJ 58/05 B, juris). Das Fragerecht besteht andererseits grundsätzlich nur innerhalb des Rechtszuges, in dem das Gutachten eingeholt worden ist (LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 16.9.2002, L 4 SB 46/02, juris; vgl. indes auch insoweit Kommentierung zu § 118 Rz. 8c).
Das Fragerecht der Beteiligten wird über den Vorsitzenden wahrgenommen, der nach § 112 die mündliche Verhandlung leitet. Eine unmittelbare Ansprache eines Beteiligten etwa an einen Zeugen ist nicht vorgesehen. Der Vorsitzende kann Zeugen jedoch durch schlüssiges Verhalten zu erkennen geben, dass er die Frage für zulässig hält. Er braucht sie nicht in jedem Fall zu wiederholen.
Zulässig sind nur sachdienliche Fragen (vgl. § 112 Abs. 4 Satz 1 für die Fragen der Beisitzer).
Zu welchem Zeitpunkt die Beteiligten ihre Fragen stellen lassen, ist nicht geregelt. Aus § 118 SGG i. V. m. § 396 Abs. 1 ZPO folgt jedoch, dass jedenfalls zunächst der Vorsitzende die Vernehmung durchführt, indem er den Zeugen veranlasst, dasjenige, was diesem von dem Gegenstand der Vernehmung bekannt ist, im Zusammenhang anzugeben. Insgesamt hat der Vorsitzende im Übrigen darauf zu achten, dass die Beweisaufnahme den Charakter eines in ihrem Ablauf vom Gericht bestimmten Geschehens nicht verliert. Zu diesem Zweck ist die Beweisaufnahme hinreichend vorzubereiten und alle Fragen, die dem Vorsitzenden sachdienlich erscheinen, sind zur Vernehmung vorzumerken.
Nicht sachdienliche Fragen übernimmt der Vorsitzende nicht, sondern er beanstandet sie (§ 116 Satz 3). Gegen die Beanstandung kann das Gericht angerufen werden. Gegen die Entscheidung des Gerichts findet eine Beschwerde nicht statt (§ 172 Abs. 2).
Literaturtipps
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Behn, Die Befragung des gerichtlichen Sa... |