Rz. 2
§ 119 Abs. 1 nennt verschiedene Tatbestände, bei deren Vorliegen eine Behörde zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften nicht verpflichtet ist. Vorgeschaltet einer entsprechenden Weigerungserklärung dieser Behörde ist indessen jeweils eine Erklärung der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde, dass ein solcher Tatbestand vorliegt. Ansonsten hat die ersuchte Behörde keine Möglichkeit, die Amtshilfe zu verweigern. Die ersuchte Behörde ist allerdings berechtigt, die Amtshilfeleistung einstweilen zurückzuhalten, bis die oberste Aufsichtsbehörde eine Entscheidung über das Vorliegen eines Tatbestandes i. S. d. § 119 Abs. 1 trifft.
Rz. 3
Die zuständige oberste Aufsichtsbehörde wird von der ersuchten Behörde nur ins Benehmen gesetzt, wenn Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass ein Weigerungstatbestand gegeben sein könnte, eine Prüfung daher geboten erscheint.
Legt die ersuchte Behörde dem Gericht die erbetenen Urkunden oder Akten vor und gelangt sie hiernach zu der Erkenntnis, dass ein Tatbestand i. S. d. § 119 Abs. 1 vorliegen könnte, und informiert sie das Gericht hiervon, so hat das Gericht vor Sichtung und Verwertung der Unterlagen die Entscheidung der – nachträglich einzuschaltenden – obersten Aufsichtsbehörde abzuwarten.
Rz. 4
Wenn eine Weigerung ausgesprochen wird, was in der sozialgerichtlichen Praxis sehr selten vorkommt, so wird sie in den meisten Fällen darauf gestützt werden, dass Vorgänge nach einem Gesetz geheim gehalten werden müssen. Hier wiederum werden insbesondere §§ 67 ff. SGB X eine Rolle spielen.
Die Weigerungstatbestände des § 119 Abs. 1 sind abschließend. Die Behörde kann insbesondere nicht vom Gericht eine Auskunft darüber verlangen, wofür die Urkunden/Akten, elektronischen Dokumente oder Auskünfte denn benötigt würden. Diese in der sozialgerichtlichen Praxis durchaus gelegentlich anzutreffende Verhaltensweise, die in Einzelfällen sogar mit einer Belehrung über die vermeintliche Rechtslage einhergeht zum scheinbaren Nachweis, dass der Inhalt der Akte/Urkunde nicht entscheidungserheblich sei, ist der Behörde schlechterdings nicht gestattet und vom Gericht unter Hinweis auf Art. 35 Abs. 1 GG, § 5 zurückzuweisen.
Rz. 5
In der Praxis ist des Weiteren leider gelegentlich zu beobachten, dass der Sozialleistungsträger trotz mehrfacher gerichtlicher Bitte Akten nicht vorlegt, ohne überhaupt irgendeinen Grund für dieses Unterlassen zu benennen. Vielfach wird in derartigen Fällen auf die gerichtlichen Verfügungen überhaupt nicht reagiert oder das Gericht über einen unangemessen langen Zeitraum zu vertrösten versucht. In derartigen Fällen ist es ein probates Mittel, die Vernehmung des Behördenleiters über den Inhalt der Akten anzudrohen und, sofern dann noch erforderlich, auch durchzuführen. Mit der Ladung kann dem Behördenleiter gemäß § 118 SGG i. V. m. § 378 ZPO aufgegeben werden, die Verwaltungsakte zum Termin mitzubringen. Im Unterlassensfalle kann gegen ihn sodann ein Ordnungsgeld festgesetzt werden (§ 378 Abs. 2 i. V. m. § 390 ZPO).
Rz. 6
Die Weigerung i. S. d. § 119 Abs. 1 darf nur erfolgen, soweit ein betreffender Weigerungstatbestand gegeben ist. Sofern durch Anonymisierung einzelner Namen, durch Entnahme von Aktenblättern oder durch andere Maßnahmen den Geheimhaltungsbedenken hinreichend Rechnung getragen werden kann, muss von diesen Maßnahmen Gebrauch gemacht werden und die Akte ansonsten vorgelegt werden.
Rz. 7
Problematisch ist die Frage, auf welche Weise ein Streit über die Weigerungsbefugnis geklärt werden kann.
Es wird vertreten, dass ein Beteiligter vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten auf Vorlage an das Sozialgericht klagen können soll (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, § 119 Rn. 5d). Verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung geht indessen dahin, dass jedenfalls zuvor eine Aufforderung des Sozialgerichts an die Behörde ergangen sein muss (vgl. VGH BW, Urteil v. 28.7.1988, 10 S 2038/88, ESVGH 39 S. 236) und die oberste Aufsichtsbehörde eine abweisende Erklärung abgegeben haben muss (vgl. VGH Hessen, Urteil v. 10.11.1966, OS V 27/65 ZfSH 1968 S. 22). Man wird demgegenüber sagen müssen, dass der Beteiligte generell keine Klagebefugnis hat (vgl. VG Kassel, Urteil v. 28.1.1965, Hessischer VG, Rspr. 1965 S. 103; SG Freiburg, Urteil v. 5.5.2003, S 9 U 3562/02, juris). Der Beteiligte wird nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar durch die Weigerung betroffen und hinreichend dadurch geschützt, dass das erkennende Sozialgericht befugt ist, die Rechtmäßigkeit der Weigerung selbst zu prüfen. Das Gericht wird zu diesem Zwecke eine Begründung der obersten Aufsichtsbehörde anfordern. Gelangt das Gericht sodann zu der Erkenntnis, dass die Weigerung zu Unrecht ausgesprochen worden ist, teilt es dies der ersuchten Behörde mit der Bitte mit, die oberste Aufsichtsbehörde um eine Abhilfeentscheidung zu ersuchen. Bleibt diese sodann aus, kann das Gericht den rechtlichen Hinweis erteilen, dass die Weigerung durch Anwendung von § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. ...