Rz. 2
Das Recht auf Akteneinsicht steht sämtlichen Beteiligten i. S. d. § 69 zu, also auch den Beigeladenen. Mit dem Abschluss des Verfahrens endet die Beteiligtenstellung und somit grundsätzlich das Recht nach § 120 Abs. 1. Eine Ausnahme gilt, wenn ein Kläger nach rechtskräftigem Abschluss seines Verfahrens die Akteneinsicht zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens begehrt (LSG BW, Urteil v. 22.12.1983, L 9 X 148/83, juris).
Das Einsichtnahmerecht besteht auch für den – etwa anwaltlich – vertretenen Beteiligten. Er kann nicht darauf verwiesen werden, dass sein Prozessbevollmächtigter die Möglichkeit zur Akteneinsichtnahme habe. Die gegenteilige Auffassung verkennt bereits, dass der selbst Akteneinsicht begehrende Beteiligte, der sich nicht auf diese Möglichkeit verweisen lassen will, im Zweifel dadurch konkludent die Bevollmächtigung zur Akteneinsichtnahme widerruft und damit den Weg für ein eigenständiges Einsichtnahmerecht freimacht.
Rz. 3
Ein Einsichtnahmerecht für andere Personen besteht nicht. § 299 Abs. 2 ZPO ist nicht über § 202 anwendbar. § 120 regelt die Akteneinsicht vielmehr abschließend.
Wenig praxisrelevant ist die Frage, ob außenstehende Personen eine Möglichkeit zur Einsichtnahme haben, wenn sämtliche Beteiligte einverstanden sind. Den Beteiligten ist es anheim gestellt, die Betreffenden mit den ausgetauschten Schriftsätzen und etwaigen sonstigen Unterlagen bekannt zu machen. Es besteht kein Anlass, das Gericht und seinen Verwaltungsapparat hierfür in Anspruch zu nehmen.
Rz. 4
Der "Soweit"-Satz des § 120 Abs. 1 verdeutlicht, dass das Einsichtsrecht nach der Grundvorstellung des Gesetzgebers für die Akte der übersendenden Behörde gilt, meist die Verwaltungsakte des beklagten Sozialleistungsträgers. Der Anspruch geht jedoch weit darüber hinaus. Er betrifft nicht nur die Akten der verfahrensbeteiligten Behörde(n), sondern insbesondere auch die Gerichtsakte selbst und mit ihr sämtliche vom Gericht beigezogene Unterlagen. Vielfach wird das Gericht nach Eingang solcher Unterlagen, etwa Akten früherer Verfahren eines der Beteiligten, zu dem Ergebnis kommen, dass der Inhalt jener Akte nicht entscheidungserheblich sein kann, und die Beiziehung rückgängig machen. Mit dieser Entscheidung entfällt dann auch das Recht auf Einsicht in diese Unterlagen.
Rz. 4a
Zu den Akten gehören grundsätzlich alle das Verfahren betreffende Unterlagen, soweit sie nicht unter die Ausnahmevorschrift des § 120 Abs. 4 fallen. Ein Beteiligter ist bei der Beibringung seines Akteneinsichtsgesuchs nicht gehalten, ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass ihm alle das Verfahren betreffende und etwa getrennt aufbewahrten Schriftstücke vorgelegt werden, sondern er darf davon ausgehen, dass bei einer uneingeschränkt beantragten und gewährten Akteneinsicht die Akten vollständig vorgelegt werden und weitere Unterlagen nicht vorhanden sind (vgl. BSG, Urteil v. 20.11.2003, B 13 RJ 41/03 R, BSGE 91 S. 283).
Das Recht auf Akteneinsicht erstreckt sich nicht auf Rechtsvorschriften, Dienstanweisungen und Gerichtsentscheidungen (LSG Sachsen, Beschluss v. 25.11.2009, L 3 AS 348/09 B-ER, juris).
Rz. 5
Das Einsichtsrecht hinsichtlich der Akten einer Behörde gilt nach § 120 Abs. 1 nur, soweit die übersendende Behörde nicht von ihrer Ausschließungsmöglichkeit Gebrauch macht. Dies darf sie jedoch nur in den Fällen des § 119. Die übersendende Behörde hat bei Bedenken also zuvor eine Entscheidung der zuständigen obersten Aufsichtsbehörde einzuholen.
Letztlich wird das Gericht durch die seitens der Behörde erklärte Beschränkung oder den Ausschluss der Akteneinsicht grundsätzlich gebunden (BSG, Urteil v. 15.11.2007, B 3 KR 13/07 R, SozR 4 – 1500 § 120 Nr. 2; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 2.3.2011, L 18 AS 2267/10 B, juris). Da nach § 128 Abs. 2 SGG das Urteil nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten, bestehen auch keine durchgreifenden Schwierigkeiten im Hinblick auf die nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 bestehende Pflicht des Gerichts, sämtlichen Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren. Problematischer im Hinblick auf das nach Art. 19 Abs. 4 GG bestehende Gebot, effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, sind die Fälle, in denen die Akte der Beklagten Unterlagen enthalten könnte, welche für den Prozessgegner vorteilhaft sind. In solchen Fällen ist es dem Gericht unbenommen, das Verhalten der Behörde durch Anwendung von § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 427 ZPO beweisrechtlich zu würdigen (ähnlich LSG BW, Urteil v. 30.5.2008, L 12 AL 91/08, juris; LSG BW, Beschluss v. 2.7.2008, L 12 AL 4535/07, juris, indes zu dem Fall der Vernichtung von Aktenunterlagen).
Rz. 6
Akteneinsicht in die Verwaltungsakte des Sozialleistungsträgers wird vielfach bereits mit der Klageschrift und damit zu einem Zeitpunkt beantragt, da die Akten dem Gericht noch gar nicht vorliegen. Zweckmäßig ist es in solch einem Fall, den Sozialleistungsträger mit der Übersendung der Klageschrift zu bitten, die Akteneinsicht unmitt...