2.1 § 121 Satz 1
Rz. 2
Die Schließung der mündlichen Verhandlung wird ebenso wie deren Eröffnung von dem Vorsitzenden vorgenommen. Sie ist Bestandteil der Prozessleitung, die nach § 112 Abs. 1 Satz 1 allein ihm obliegt.
Die Schließung erfolgt nach genügender Erörterung der Streitsache. § 121 Satz 1 nimmt damit unmittelbar Bezug auf § 112 Abs. 2 Satz 2. Wann eine Streitsache genügend erörtert ist, wird jedoch weder in § 112 noch in § 121 geregelt. Maßstab ist der Anspruch der Beteiligten auf rechtliches Gehör i. S. d. Art. 103 Abs. 1 GG, § 62 SGG. Den Beteiligten muss insbesondere ausreichend Gelegenheit zu sachangemessenem Vortrag gegeben werden (vgl. Kommentierung zu § 112 Rn. 7).
Ist ein Beteiligter der Auffassung, die Streitsache sei noch nicht genügend erörtert, muss er grundsätzlich, insbesondere wenn er rechtskundig vertreten ist, dies anzeigen und die Möglichkeit zu weiterem Sachvortrag erbitten. Unterlässt er dies, kann er später nicht erfolgreich rügen, das Gericht habe verfahrensfehlerhaft gehandelt (vgl. BSG, Beschluss v. 9.11.1990, 2 BU 183/90, juris). Ist ein Beteiligter nicht erschienen, ist eine Erörterung der Streitsache nicht nur nicht möglich, sondern auch nicht geboten. Das Gericht kann dann jedenfalls nach einer Wartezeit von 20 Minuten die mündliche Verhandlung schließen und das Urteil verkünden (vgl. LSG NRW, Urteil v. 27.1.1993, L 11 Ka 29/92, Breithaupt 1993 S. 692 ff.).
Rz. 3
Dem Gesetzeswortlaut entsprechend erfolgt die Schließung der mündlichen Verhandlung durch eine Erklärung. Eine konkludente Handlung kann die Erklärung nicht ersetzen. Als prozessleitende Verfügung ist die Schließung, wie aus § 172 Abs. 2 folgt, nicht anfechtbar.
Rz. 4
Mit der Schließung entfällt grundsätzlich die Möglichkeit der Beteiligten, Schriftsätze einzureichen, wie § 202 SGG i. V. m. § 296a ZPO zu entnehmen ist. Auf die Schließung folgt die Entscheidungsfindung des Gerichts.
2.2 § 121 Satz 2
Rz. 5
§ 121 Satz 2 sieht die Möglichkeit der Wiedereröffnung vor. Über sie ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu beschließen. Zuständig ist das Gericht, nicht der Vorsitzende (vgl. hierzu BSG, Urteil v. 31.1.1974, 4 RJ 183/73, SozR 1500 § 121 Nr. 1). Die ehrenamtlichen Richter wirken bei der Beschlussfassung mit (so inzwischen auch Keller, in: Meyer-Ladewig, § 121 Rn. 4a). Zwar sieht § 12 Abs. 1 Satz 2 vor, dass die ehrenamtlichen Richter bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mitwirken, das Institut des zur Entscheidung mitberufenen ehrenamtlichen Richters würde jedoch ad absurdum geführt, würde man diese Vorschrift auch auf solche Beschlüsse beziehen, die unmittelbar im Anschluss an die mündliche Verhandlung als deren Ergebnis zu treffen sind. So wirken ehrenamtliche Richter etwa selbstverständlich auch bei einem Vertagungsbeschluss mit, wenn in der Beratung zutage tritt, dass weitere Sachaufklärung vonnöten ist und damit nicht durch Urteil entschieden werden kann. Nicht anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn sich in der Beratung die Meinung herausbildet, dass nicht durch Urteil entschieden werden kann, sondern eine ergänzende Erörterung mit den Beteiligten stattzufinden hat.
Rz. 6
Die Wiedereröffnung ist möglich bis zur Verkündung der Entscheidung.
Zwingend geboten ist sie wegen § 129, wenn ein Richter nach Schließung der Verhandlung vor Verkündung der Entscheidung ausfällt. In einem derartigen Fall muss die mündliche Verhandlung sogar von Neuem durchgeführt werden. Anders stellt es sich nur dar, wenn der betreffende Richter die Entscheidung bereits mitgetroffen hat, sie aber noch nicht verkündet ist.
Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung kann ansonsten aus unterschiedlichen Gründen bestehen. So ist es etwa denkbar, dass kurz nach Schließung der mündlichen Verhandlung ein Beteiligter doch noch erscheint und gehört werden soll oder aber das Gericht trotz Schließung der mündlichen Verhandlung ergänzende Erkenntnisse gewinnt, die zu einer veränderten Sicht der Rechtslage führen können. Der Anlass zur Wiedereröffnung wird noch häufiger darin bestehen, dass in der Beratung eine rechtliche Betrachtungsweise die Oberhand gewinnt, die eine ergänzende Erörterung, die Erteilung eines rechtlichen Hinweises, das Einholen einer weiteren Auskunft oder Ähnliches erforderlich macht.
Rz. 7
Die Wiedereröffnung erfolgt von Amts wegen, wobei es den Beteiligten unbenommen ist, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Verfahrensfehlerhaft handelt das Gericht, wenn es einen Antrag auf Wiedereröffnung ablehnt, obwohl es erkennen musste, dass die mündliche Verhandlung verfrüht geschlossen wurde (vgl. BSG, Urteil v. 21.4.1966, 9 RV 742/65, SozR Nr. 1 zu § 121).
Rz. 8
Das Gericht entscheidet durch Beschluss über die Wiedereröffnung. Auch auf diesen Beschluss findet § 172 Abs. 2 Anwendung.
Das BSG hat die Frage, ob die Fortsetzung einer geschlossenen mündlichen Verhandlung ohne förmlichen Wiedereröffnungsbeschluss gegen § 121 verstößt, offengelassen (vgl. Beschluss v. 21.11.1989, 11 BAr 121/88, SozR 1500 § 6 Nr. 2).
Rz. 9
Wird die Wiedereröffnung be...