Rz. 4
Das Gericht kann bei Erscheinen nur eines Beteiligten auch eine einseitige mündliche Verhandlung durchführen und ein Urteil verkünden. Dies ergibt sich aus §§ 124, 126. Ein Hinweis mit der Terminsladung nach § 110 Abs. 1 Satz 2 auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 126 gilt erst recht für die Möglichkeit des Erlasses eines Urteils aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung (vgl. BSG, Urteil v. 16.12.1993, 13 RJ 37/93, Rz. 17). Auch bei einer Entscheidung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung ist die rechtzeitige und formgerechte Ladung des nicht erschienenen Beteiligten zur Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör festzustellen. Die Entscheidung über eine Entscheidung nach Aktenlage oder die Durchführung einer einseitigen mündlichen Verhandlung steht im Ermessen des Gerichts. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass bei einer Entscheidung aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung das Urteil mit Verkündung (§ 132) wirksam wird. Beantragt der erschienene Beteiligte nach Lage der Akten zu entscheiden, kann das Gericht dennoch mit dem erschienenen Beteiligten einseitig mündlich verhandeln und das Urteil verkünden (vgl. Zeihe, SGG, § 126 Rz. 2a; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 126 Rz. 4).
Auch eine einseitige mündliche Verhandlung stellt eine mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 1 dar. Diese beginnt gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 mit der Darstellung des Sachverhalts, der an die übrigen Richter, die erschienenen Beteiligten und an die Öffentlichkeit gerichtet ist. Deshalb ist der Vortrag des Sachberichts auch dann nicht entbehrlich, wenn die erschienenen Beteiligten hierauf verzichten (vgl. BSG, Beschluss v. 25.1.2011, B 5 R 261/10 B, Rz. 5 ff.).
Rz. 5
Das Gericht kann die mündliche Verhandlung aber auch ohne Beteiligte unter Beschränkung auf die Darstellung des Sachverhalts durchführen (str., vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 126 Rz. 4; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 126 Anm. 4; Zeihe, SGG, § 126 Rz. 1c, 2c; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 129 Rz. 6; Hauck, in: Hennig, SGG, § 126 Rz. 2 und 20; Kopp/Schenke, VwGO, § 103 Rz. 3; Dolderer, in Sodan/Ziekow, VwGO, § 102 Rz. 63; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 19.7.2010, L 19 AL 55/10; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil v. 14.12.2017, L 5 KR 11/16).
Nach anderer, heute überholter Ansicht handele sich es um eine "Scheinverhandlung", die abzulehnen sei (vgl. Krasney/Udsching, VII Rz. 163; Niesel, SGb 1976, 214). Krasney/Udsching meinen etwa, § 126 lasse zwar an sich auch in einem solchen Falle die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu, das Gericht solle aber stets nach Lage der Akten entscheiden. Sie gehen allerdings auch von der Annahme aus, dass bei einem Urteil nach § 126 die im Termin bestehende Prozesslage (also nicht der Zeitpunkt der Abgabe des Urteils zum Zwecke der Zustellung) maßgebend sei und dass das Gericht die Möglichkeit habe, die Wirksamkeit "durch Verkündung des Urteils nach der mündlichen Verhandlung" herbeiführen zu können (Krasney/Udsching, a. a. O., VII Rz. 211). Dazu ist jedoch festzustellen, dass nach ganz h. M. eine mündliche Verhandlung gerade nicht stattfindet, wenn nach Lage der Akten entschieden wird, dass das Urteil nicht zu verkünden, sondern zuzustellen ist (§ 133; BSGE 28, 151) und dass ferner die Differenzierung hinsichtlich des für die Gewährung rechtlichen Gehörs maßgebenden Zeitpunkts bei Urteilen nach § 124 Abs. 2 einerseits und § 126 andererseits wohl nicht der h. M. entspricht (vgl. etwa BSG, Urteil v. 23.11.1971, 8 RV 161/70; vgl. auch die Komm. in Rz. 17 bis 21 zu § 124). Für die Durchführung einer auf die Darstellung des Sachverhalts (dies ist nach der Rspr. des BVerwG mangels Verzichts der Beteiligten unentbehrlich, vgl. BVerwG, NJW 1984, 251 unter Hinweis auf BSG, NJW 1968, 1751) beschränkten mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der (vom Termin benachrichtigt gewesenen) Beteiligten, die nach dem Gesetzeswortlaut zulässig ist und die prozessualen Rechte der Beteiligten nicht beeinträchtigt, sprechen vor allem praktische Gesichtspunkte. Für das Gericht besteht vor allem der Vorteil, das Urteil verkünden zu können und damit wirksam werden zu lassen. So ist ausgeschlossen, dass durch weiteren Sachvortrag vor Herausgabe der Entscheidung zum Zwecke der Zustellung (vgl. dazu die Komm. in Rz. 17 ff. zu § 124 und Rz. 8 f. zu § 133) eine wesentliche Änderung der Prozesslage zur erneuten Anberaumung einer mündlichen Verhandlung zwingt. Konsequenz der Gegenauffassung wäre zudem, dass ein geladener Zeuge wegen des Fernbleibens der vom Termin benachrichtigten und über die beabsichtigte Beweisaufnahme unterrichteten Beteiligten (vgl. §§ 127, 128 Abs. 2) nicht vernommen werden könnte. Letztlich ist also nicht ersichtlich, weshalb den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit die für die Verwaltungsgerichte und Finanzgerichte (vgl. BVerwG, NJW 1984, 251; BFH, Beschluss v. 15.12.2004, VIII B 181/04) selbstverständliche und notwendige Möglichkeit, in Abwesenheit aller Betei...