Rz. 4
Anders als nach § 304 ZPO ist das sozialgerichtliche Grundurteil im Falle einer Anfechtungs- und Leistungsklage (Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 54 Abs. 4) kein Zwischenurteil, weil das Betragsverfahren lediglich durch eine neue Verwaltungsentscheidung in Gang gesetzt werden kann (vgl. BSG, SozR 3-1300 § 104 Nr. 9, 24 m. w. N.). Es wird durch das BSG auch als echtes Grundurteil bezeichnet (BSG, Urteil v. 30.5.2006, B 1 KR 17/05 R, Rz. 13). Systematisch handelt es sich um eine gesetzlich ausnahmsweise zugelassene Zurückverweisung an die Behörde, um die Höhe der Leistung feststellen zu lassen (BSG, Urteil v. 20.4.1999, B 1 KR 15/98 R; wegen der Zurückverweisung an die Verwaltung vgl. auch § 131 Abs. 5 i. d. F. seit dem 1. Justizmodernisierungsgesetzes v. 24.8.2004, BGBl. I S. 2198). Da lediglich insoweit die Verpflichtung des Gerichts zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts (§ 103) und zur vollständigen Entscheidung über den erhobenen Anspruch (§ 123) hintangestellt wird, erhält das Gericht durch § 130 Abs. 1 Satz 1 keine unbeschränkte Befugnis, den Streitgegenstand in einzelne Elemente aufzuspalten, indem es im Wege des Grundurteils immer nur zu gerade streitigen Rechtsfragen Stellung nimmt und die Anwendung der "gesetzlichen Vorschriften" im Übrigen der Verwaltung vorbehält. Hiervon macht auch der neue Abs. 2 nur teilweise eine Ausnahme, denn das Urteil nach Abs. 2 schließt das Verfahren nicht ab und überlässt die Entscheidung über die vom Gericht (noch) nicht geprüften übrigen Leistungsvoraussetzungen nicht der Verwaltung, sondern verschiebt diese Entscheidung auf das gerichtliche Nachverfahren.
Rz. 5
Ein Grundurteil nach Abs. 1 darf mithin nur ergehen, wenn alle Voraussetzungen des streitigen Anspruchs geprüft und festgestellt worden sind (vgl. BSG, Urteil v. 20.4.1999, B 1 KR 15/98 R; BSG, USK 83141). Welche dies im Einzelnen sind, hängt vom jeweiligen Streitgegenstand, also vom erhobenen Anspruch i. S. d. § 123 ab. Zwischen "positiven" und "negativen" Anspruchsmerkmalen kann insoweit nicht unterschieden werden, da deren Bedeutung für den Streitgegenstand dieselbe ist (BSG, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8). Von der Verpflichtung des Gerichts, bei einem Grundurteil nach Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 sämtliche Anspruchselemente zu prüfen, sind Umstände, die "nur" zum Ruhen des Anspruchs führen, nicht auszunehmen. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Ruhensgrund bereits zu Beginn des strittigen Zeitraums eingreift und zwangsläufig den Auszahlungsanspruch nicht nur der Höhe nach, sondern insgesamt betrifft (BSG, SozR 3-1500 § 141 Nr. 8). Ein rechtskräftig gewordenes Grundurteil, das zur Rentenzahlung von einem bestimmten Zeitpunkt an verurteilt hat, schließt für die nach diesem Zeitpunkt liegenden Zeiten die nachträgliche Erhebung der Verjährungseinrede aus (vgl. BSGE 53, 253; LSG Sachsen, Urteil v. 20.7.2005, L 6 LW 1/04). Nach BSG, SozR 3-1300 § 104 Nr. 3 sind in einem Grundurteil darüber hinaus aber nicht auch die Tatsachen zu prüfen, die – wie beispielsweise der Bezug einer anderen Sozialleistung – die Minderung des Anspruchs oder bei entsprechender Höhe auch dessen Wegfall herbeiführen.
Rz. 6
Durch ein Grundurteil nach Abs. 1 können nur bestimmte Leistungen, und zwar ausschließlich Geldleistungen, zugesprochen werden. Sind in einem allgemein gehaltenen Leistungsantrag – z. B. Förderung einer Bildungsmaßnahme – verschiedene Rechtsansprüche auf Geldleistungen enthalten, so darf ein Grundurteil nur ergehen, wenn und soweit die Ansprüche dem Grunde nach bestehen (BSG, SozR 1500 § 130 Nr. 2). Das Begehren eines Anspruchs auf Heilbehandlung oder auf freie Heilfürsorge rechtfertigt nicht eine Verurteilung dem Grunde nach (vgl. LSG Hessen, Breithaupt 1978, 94 f.; BSG, Urteil v. 8.8.2001, B 9 VG 1/00 R, regelmäßig Sachleistung). Es muss ein Rechtsanspruch auf diese Geldleistung bestehen. Bei Ermessensentscheidungen ist für die Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4) wie auch für ein Grundurteil nach § 130 Abs. 1 kein Raum. Auch auf die reine Anfechtungsklage kann ein Grundurteil nicht ergehen. In Betracht kommt insoweit ein Zwischenurteil nach § 130 Abs. 2 (vgl. BSG, Urteil v. 17.2.2005, B 13 RJ 43/03 R). Ferner setzt ein Grundurteil nach der Rechtsprechung des BSG zumindest die Wahrscheinlichkeit voraus, dass tatsächlich etwas zu zahlen ist (vgl. BSG, Urteil v. 20.4.1999, B 1 KR 15/98 R; BSG, SozR 1500 § 130 Nr. 2; vgl. auch Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 130 Rz. 2c). Zeihe fordert weitergehend, dass das Bestehen eines Leistungsanspruchs feststehen muss (vgl. Rz. 4). Hängt das Entstehen des Rentenanspruchs von noch nachzuentrichtenden Beiträgen ab, kann mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage auch der Erlass eines Grundurteils begehrt werden, in dem der Rentenversicherungsträger zur Gewährung der Rente unter der aufschiebenden Bedingung der Nachentrichtung der erforderlichen Beiträge verurteilt werden soll (BSG, SozR 3-1500 § 54 Nr. 3; SozR 5750 Art. 2 § 6 Nr. 4).
Rz. 7
Ein Grundurteil nach A...