2.4.1 Vorabentscheidung
Rz. 14
Gegenstand eines Rechtsstreits sind nicht Fragen rechtlicher oder tatsächlicher Art, über deren Beantwortung die Beteiligten uneins sind, sondern der mit der Klage geltend gemachte Anspruch (§ 123). Nach ihm richtet sich, worüber in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu befinden ist. Das Gericht hat alle für den Anspruch maßgeblichen Tatsachen zu ermitteln, weil sich nur auf diese Weise entscheiden lässt, ob und ggf. in welchem Umfang die Klage begründet ist (vgl. BSG, SozR 3-4100 § 138 Nr. 1; SozR 1400 § 136 Nr. 5; SozR 4100 § 138 Nr. 14 AFG). Auch beim Grundurteil nach Abs. 1 darf das Gericht nur die Höhe der Leistung offen lassen (vgl. oben). Durch Art. 1 Nr. 41 des 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) hat der Gesetzgeber nun den Abs. 2 angefügt und dadurch mit Wirkung zum 2.1.2002 zur Verfahrensbeschleunigung die Möglichkeit geschaffen, durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab zu entscheiden, wenn dies sachdienlich ist. Ein Zwischenurteil i. S. v. § 130 Abs. 2 ist lediglich ein vorweggenommener und unselbstständiger Teil des Endurteils. Der Erlass eines Grundurteils nach § 130 Abs. 1 Satz 1 scheidet bei reinen Leistungsklagen regelmäßig aus, mit denen unter Leistungsträgern über einen bezifferten Erstattungsanspruch gestritten wird; in derartigen Fällen ist vielmehr die Durchführung eines Nachverfahrens über die Höhe des Erstattungsanspruchs erforderlich (vgl. BSG, Urteil v. 30.5.2006, B 1 KR 17/05 R, Rz. 13)
2.4.2 Entscheidungserheblichkeit
Rz. 15
Damit hat das Gericht jetzt die Möglichkeit, einen entscheidungserheblichen streitigen Punkt vorab zu entscheiden, ohne im Zwischenurteil alle anderen tatbestandlichen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs abhandeln und vorher ggf. noch durch Ermittlungen im Detail aufklären zu müssen. Gesetzliche Voraussetzung sind die Entscheidungserheblichkeit der Sach- oder Rechtsfrage und die Sachdienlichkeit einer Entscheidung durch Zwischenurteil. Weil Abs. 2 nicht dazu führen darf, dass das Gericht bloße Rechtsgutachten fertigt, muss sicher sein, dass die betreffende Sach- oder Rechtsfrage auch für ein Endurteil entscheidungserheblich wäre (vgl. BFHE 187, 418, wo die Entscheidungserheblichkeit und die Zulässigkeit eines Zwischenurteils verneint und die Sache deshalb an das FG zurückverwiesen worden ist). Das erfordert eine sorgfältige gedankliche Prüfung der gesamten Anspruchsvoraussetzungen. Letztere ist insbesondere dann geboten, wenn man entgegen der ganz h. M. das Zwischenurteil nach Abs. 2 als rechtsmittelfähig ansieht (siehe dazu unten Rn. 17). Denn das Rechtsmittelgericht wird es nicht für seine Aufgabe halten wollen, Rechtsfragen zu entscheiden, die für das Endurteil ersichtlich irrelevant sind, weil der Anspruch aus anderen Gründen nicht bestehen kann. Wenn man mit der h. M. davon ausgeht, dass das Zwischenurteil nach § 130 Abs. 2 nicht selbständig anfechtbar ist, findet eine Überprüfung der Ausübung des Ermessens bei der Fällung des Zwischenurteils auf sachfremde Erwägungen und grobe Fehleinschätzung nicht statt (a. A. Behrend, in: Hennig, SGG, § 130 Rz. 94). Denn auch ein unzulässiges Zwischenurteil wäre nur mit dem Endurteil anfechtbar (vgl. Hartmann, in: Baumbach/Lauterbach/Hartmann/Albers, ZPO, § 303 Rz. 11), und dieses dürfte kaum aufgehoben werden, weil ein Zwischenurteil nicht hätte ergehen dürfen. Wegen der Notwendigkeit, die Entscheidungserheblichkeit zu prüfen, rückt das Zwischenurteil nach Abs. 2 in einigen Anwendungsbereichen auch hinsichtlich des Aufwands für das Gericht in die Nähe eines Grundurteils nach Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 (zur Abgrenzung vgl. auch die ähnliche Problematik bei §§ 99 Abs. 1 und 2 FGO, vgl. dazu BFHE 195, 159; vgl. auch bei Behrend, in: Hennig, SGG, § 130 Rz. 84), sodass die Frage nach der Sachdienlichkeit im Einzelfall in den Vordergrund rückt.
2.4.3 Sachdienlichkeit, Anhörung
Rz. 16
Für sachdienlich gehalten wird ein solches Zwischenurteil insbesondere dann, wenn erkennbar nur über eine bestimmte Sach- oder Rechtsfrage gestritten wird und zu erwarten ist, dass die Beteiligten nach der Klärung dieser Frage den Rechtsstreit beilegen werden (vgl. BR-Drs. 132/01 zu Nr. 41 S. 54). Das kann insbesondere in den Fällen relevant werden, in denen die Zulässigkeit der Klage oder der Berufung (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 28.2.2002, L 10 U 2930/01), die Aktiv- und Passivlegitimation oder vor allem einzelne Berechnungselemente streitig sind und sich für eine Vorabklärung anbieten. Sinnvoll kann die Entscheidung durch Zwischenurteil aber nur sein, wenn die Beteiligten etwa im Streit wegen Arbeitslosenhilfe z. B. verbindlich erklären, dass mit der Klärung der Einkommensanrechnung durch Zwischenurteil der Streitgegenstand erledigt ist und nicht befürchtet werden muss, dass sich ein weiterer Durchgang wegen der Verfügbarkeit anschließt (vgl. Wenner, SozSich 2001, 422). Aus diesem Grunde ist die Ankündigung der Absicht, ein Zwischenurteil zu erlassen, nicht nur zur Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich, sondern auch zur Vermeidung überflüssig...