Rz. 2
Verkündung ist das Verlesen der Urteilsformel (Abs. 2 Satz 1; § 136 Abs. 1 Nr. 4). Diese muss also im Zeitpunkt der Verkündung schriftlich niedergelegt sein, weil sie sonst weder verlesen noch in Bezug genommen werden kann (vgl. § 311 Abs. 2 Satz 1 oder § 311 Abs. 4 Satz 2 ZPO; vgl. auch BGH, NJW 1985, 1782, 1783). Dies geschieht regelmäßig durch Niederschrift im Akteninnendeckel oder auf einem gesonderten Blatt. Durch die Pflicht zur schriftlichen Niederlegung soll sichergestellt werden, dass die verkündete Formel und die später im Urteil abgesetzte Formel identisch sind (vgl. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 116 Rz. 20). Nach BGH reicht als Grundlage einer Verkündung durch Verlesen der Urteilsformel ein stenografisch festgehaltener Tenor aus (BGH, Urteil v. 23.10.1998, LwZR 3/98). Die Urteilsformel muss nicht unterschrieben sein (vgl. auch Rz. 6). Die Verkündung erfolgt stets in öffentlicher Sitzung, die Anwesenheit der Beteiligten ist nicht erforderlich (vgl. § 312 ZPO). Ob die vollständige Urteilsformel auch dann vorgelesen werden muss, wenn außer Richtern und Protokollführer niemand (mehr) im Saale anwesend ist, ist streitig. Nach § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO i. d. F. des Zivilprozessreformgesetzes (ZPO-RG) v. 27.7.2001 (BGBl. I S. 1887), das am 1.1.2002 in Kraft getreten ist, kann nämlich die Verlesung der Urteilsformel durch eine Bezugnahme auf die Urteilsformel ersetzt werden, wenn bei der Verkündung des Urteils von den Parteien niemand erschienen ist. Das am 2.1.2002, also fast zeitgleich in Kraft getretene 6. SGG-ÄndG v. 17.8.2001 hat insoweit keine entsprechende Regelung in das SGG eingefügt, obwohl etwa auch § 134 geändert worden ist, so dass fraglich ist, ob gleichwohl § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren über § 202 anwendbar ist (bejahend Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 132 Rz. 5a; Timme, NzS 2004, 292, 298; für die VwGO Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, § 311 Rz. 10; Kopp/Schenke, VwGO, § 116 Rz. 4; a. A. GK-Bley, SGG, § 132 Anm. 6a; Bolay, in: Lüdtke, SGG, § 132 Rz. 4; Pawlak, in: Hennig, SGG, § 132 Rz. 23). Es bestehen zwar keine grundsätzlichen Verfahrensunterschiede, doch würde eine bloße Bezugnahme auf die Urteilsformel entsprechend § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO der Anordnung des § 132 widersprechen, der eine Regelungslücke nicht erkennen lässt. Zudem dürfte eine wirkliche prozessökonomische Notwendigkeit für die entsprechende Anwendung des § 311 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht bestehen, zumal die zu erzielende Verfahrensvereinfachung ebenso marginal wäre wie die Bedeutung dieser Streitfrage.
Das Urteil verkündet der Vorsitzende (§ 202 SGG i. V. m. § 136 Abs. 4 ZPO). Eingeleitet wird die Verkündung des Urteils mit den Worten "Im Namen des Volkes". Das Fehlen dieser Formel ist unschädlich (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 17.10.1996, L 7 U 15129/96; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 132 Rz. 18). Bemerkt der Verkündende während des Verlesens der Urteilsformel eine Unklarheit oder Unrichtigkeit (z. B. unvollständiges Datum, falsche Bezeichnung des Rechtsmittels oder des Leistungspflichtigen) darf er diese nicht dadurch "korrigieren", dass er etwas anderes verkündet als schriftlich niedergelegt worden war. Er kann aber die Verkündung bis zum vollständigen Verlesen der Urteilsformel abbrechen. Der Abbruch der Verkündung des Urteils hat zur Folge, dass noch kein Urteil – auch nicht hinsichtlich des bereits verlesenen Teils – ergangen ist. Das Urteil ist mangels (vollständiger) Verkündung noch nicht wirksam (vgl. Schütz, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, § 132 Rz. 19). Bis dahin handelt es sich nämlich noch um einen korrigierbaren Entwurf. Das Gericht kann nach dem Abbruch der Verlesung wieder in die Beratung eintreten und einen anderen Tenor niederlegen und verkünden (vgl. BVerwGE 72, 28, 37). Nach der vollständigen Verkündung ist das Gericht gebunden (§ 318 ZPO) und können Fehler nur noch nach §§ 138 ff. berichtigt werden.
Durch die Verkündung des Urteils wird eine Rechtsmittelfrist nicht in Gang gesetzt. Dies geschieht erst durch die Zustellung (§ 135). Ein Rechtsmittel kann aber nach allgemeiner Meinung bereits ab der Verkündung eingelegt werden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 132 Rz. 1d).
Rz. 3
Nach Abs. 2 Satz 2 soll bei der Verkündung der wesentliche Inhalt der Entscheidungsgründe mitgeteilt werden, wenn Beteiligte anwesend sind. Die Beteiligten können auf die Mitteilung der wesentlichen Entscheidungsgründe verzichten. Wie nach § 311 ZPO liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden, im Einzelfall zu entscheiden, in welchem Umfang er das Urteil mündlich begründet und er hierbei ggf. auf die Erörterung der Sach- und Rechtslage während der vorangegangenen mündlichen Verhandlung Bezug nimmt. Weichen die mündlich mitgeteilten Entscheidungsgründe wesentlich von den Entscheidungsgründen des schriftlichen Urteils ab, ist das schriftliche Urteil maßgebend (vgl. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 116 Rz. 23). Ein wesentlicher Mangel des Verfahrens i...