Rz. 4
Fehlt die Unterschrift, so ist zunächst zu unterscheiden:
Ist das Urteil nicht aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen, kann es nur durch Zustellung wirksam werden (vgl. Rz. 2 und § 133, § 124 Abs. 2). Weil die Zustellung nur wirksam ist, wenn das Urteil vom Vorsitzenden unterschrieben ist und die Ausfertigung die Wiedergabe der Unterschrift enthält (wegen der Anforderungen an die Wiedergabe der Unterschrift in der Ausfertigung vgl. BSG, SGb 1995, 43 mit Anm. Zeihe, SGb 1995, 45), liegt noch kein wirksames Urteil, sondern lediglich ein Urteilsentwurf vor (vgl. BVerwGE 91, 242). Von einem Urteilsentwurf darf keine Ausfertigung erstellt werden. Geschieht dies versehentlich trotzdem und wird dem Beteiligten ein Scheinurteil zugestellt, kann dieser dagegen Rechtsmittel einlegen. Wird das Urteil später unterzeichnet und wirksam zugestellt, bedarf es keiner erneuten Rechtsmitteleinlegung, denn bereits mit einem gegen ein Scheinurteil eingelegten Rechtsmittel ist die sachliche Nachprüfung der Entscheidung ermöglicht (vgl. Kilian, in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 117 Rz. 58; BGH, NJW 1996, 1669). Stirbt der Kammervorsitzende nach einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung, kommt eine wirksame Zustellung, die das Urteil existent machen könnte (§ 133), aber die Unterschrift des Vorsitzenden voraussetzt (§ 134), nicht mehr in Betracht. Die Sache muss erneut beraten und entschieden werden (vgl. Rohwer-Kahlmann, SGG, § 134 Rz. 3; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 134 Rz. 2). Wird das Urteil vom neuen Kammervorsitzenden ohne Unterschrift des verstorbenen Vorsitzenden den Beteiligten zugestellt, entspricht dieses Urteil nicht den Erfordernissen des § 134 (vgl. LSG Celle, Breithaupt 1989, 611), ist verfahrensfehlerhaft und kann auf Rechtsmittel aufgehoben werden (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 134 Rz. 2).
Rz. 5
Das verkündete Urteil ist dagegen mit der Verkündung bereits wirksam, wenn auch verfahrensfehlerhaft, wenn es nicht unterschrieben worden ist und deswegen anfechtbar. Fristen werden durch die Zustellung des nicht unterschriebenen Urteils nicht in Lauf gesetzt (vgl. z. B. BSG, SozR 1500 § 134 Nr. 3; SozR 1500 § 151 Nr. 9; vgl. aber zu § 275 Abs. 2 StPO und zur fehlenden Unterschrift: BGH, Rpfleger 2001, 319, wonach die fehlende Unterschrift eines der Richter die Wirksamkeit der Zustellung nicht hindere, sondern wie lückenhafter Tenor oder fehlerhaftes Rubrum nicht Mangel der Zustellung, sondern des Urteils selbst sei). Stirbt der Kammervorsitzende nach Verkündung, aber vor Unterzeichnung des Urteils, ist die Urteilsformel und, soweit die Entscheidungsgründe bereits abgefasst waren, auch diese – ohne Unterschrift – zuzustellen (vgl. Zeihe, SGG, § 134 Rn. 3; Rohwer-Kahlmann, SGG, § 134 Rz. 3; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 134 Rz. 2; Bedenken gegen die Beifügung von Entscheidungsgründen: Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 134 Rz. 5). Trotz des Verstoßes gegen § 134 kann das Urteil, wenn es nicht angefochten wird, rechtskräftig werden. Auf die Berufung eines Beteiligten ist das Urteil jedoch aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an das SG zurückzuverweisen (vgl. LSG Celle, Breithaupt 1964, 635; Bay LSG, Breithaupt 1975, 265; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 17.5.2002, L 13 RA 6/02; OLG Koblenz, Versicherungsrecht 1981, 688; Fischer, DRiZ 1994, 95; Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 134 Rz. 2; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 134 Rz. 15).