Rz. 17
Der Beschluss, mit dem der Vorsitzende die Berichtigung des Tenors ausgesprochen hat, ist nicht nur der formellen, sondern auch der materiellen Rechtskraft fähig (vgl. BGH, NJW 1985, 742, 743). Nach Rechtskraft des Berichtigungsbeschlusses ist dieser auch für das Berufungs- oder Revisionsgericht grundsätzlich bindend (vgl. BGH, Urteil v. 10.3.1983, III ZR 135/82; BGH, NJW 1995, 1033). Das Berufungsgericht kann deshalb grundsätzlich nur das berichtigte Urteil prüfen und ändern, nicht jedoch den Berichtigungsbeschluss als solchen (vgl. BGH, NJW 1985, 742, 743). Der Berichtigungsbeschluss kann jedoch aufgrund eines offenkundigen und besonders schweren Verfahrensfehlers nichtig und damit unbeachtlich sein. Das BVerwG hat dies für eine Berichtigung der Entscheidungsformel angenommen, ohne dass eine offenbare Unrichtigkeit vorgelegen hat (BVerwG, Beschluss v. 17.9.2007, 8 B 30/07, Rz. 9).
Rz. 18
Es ist jedoch streitig, welche Folgen ein Berichtigungsbeschluss nach sich zieht, der ergangen ist, obwohl die Voraussetzungen des § 138 (bzw. § 118 VwGO, § 319 ZPO) nicht erfüllt waren. Nach vielfach in Rechtsprechung und Literatur vertretener Ansicht sollen, da Berichtigungsbeschlüsse keine Entscheidung in der Sache träfen, die Grundsätze über fehlerhafte Entscheidungen nicht anwendbar sein und fehlerhafte Berichtigungsbeschlüsse, die erkennbar keine gesetzliche Grundlage haben, deshalb trotz formeller Rechtskraft keine verbindliche Wirkung haben (vgl. die eingehende Darstellung des Streitstands bei Vollkommer, in: Zöller, ZPO, § 319 Rz. 29; BGHZ 20, 188; BGH, NJW 1995, 1033; BAG, NJW 1969, 1871; Redeker/von Oertzen, VwGO, § 118 Rz. 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 319 Rz. 32). So wird nach dieser Meinung ein Berichtigungsbeschluss deshalb für unwirksam und unbeachtlich angesehen, weil er die Willensrichtung korrigiert (vgl. BGH, NJW 1985, 742, 743) oder weil die Unrichtigkeit keine offenbare war (vgl. BGHZ 20, 190 ff.). Ähnlich führt Zeihe (SGG, § 138 Rz. 3e) aus, dass es sich nur scheinbar um einen Berichtigungsbeschluss handele, wenn es an der Voraussetzung fehle, dass der Fehler offenbar ist. In Wirklichkeit werde das Urteil inhaltlich berichtigt; ein solcher Beschluss binde das Berufungs- bzw. das Revisionsgericht nicht (Hinweis auf BSG, SozR SGG § 150 Nr. 37). Dagegen wird vorgebracht, ein Berichtigungsbeschluss sei, wie ein Urteil, nur in seltenen Fällen als nichtig anzusehen, aber nicht immer dann schon als unwirksam zu behandeln, weil er nicht den Vorschriften des § 138 SGG, § 139 ZPO oder § 118 VwGO entspricht. Eine Unwirksamkeit des bindend gewordenen Berichtigungsbeschlusses komme daher nur bei ganz außergewöhnlichen Mängeln in Betracht (vgl. Stein/Jonas/Leipold, ZPO, § 319 Rz. 15; Musielak, in: MüKo, ZPO, § 319 Rz. 18). Nach Kopp/Schenke (VwGO, § 118 Rz. 12) soll auch ein Beschluss, der die durch § 118 VwGO gezogenen Grenzen überschreitet, nur mit der Beschwerde anfechtbar sein, außer bei schweren Mängeln (dazu Hinweis auf BGHZ 20, 190, 193; BGH, NJW 1993, 1400). Diese Ansicht teilt im Wesentlichen Clausing (in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 118 Rz. 8), der eine Ausnahme von der Bindung nur dann machen will, wenn der als solcher bezeichnete "Berichtigungsbeschluss" in Wirklichkeit nicht berichtige, sondern die vorhergehende Entscheidung aufhebe. Keller (in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, § 138 Rz. 5b) geht dagegen davon aus, dass ein fehlerhafter Berichtigungsbeschluss nur im Beschwerdeverfahren geändert werden könne, ansonsten aber wirksam sei und binde. Eine Ausnahme hiervon sei auch nicht bei fehlerhafter Rechtsmittelzulassung im Berichtigungsbeschluss möglich. Hierfür sprechen Gründe der Rechtssicherheit.
Rz. 19
Der BGH nimmt eine die Bindungswirkung des Berichtigungsbeschlusses stärker betonende Position ein, lässt aber eine Durchbrechung des Grundsatzes im Fall der Revisionszulassung zu. Nach der Rechtsprechung des BGH äußern gerichtliche Beschlüsse, die im Rahmen eines Zivilverfahrens ergehen, die ihnen prozessual zugeordneten Wirkungen in aller Regel auch dann, wenn sie fehlerhaft zustande gekommen, aber nicht aufgrund eines zulässigen Rechtsbehelfs beseitigt worden sind. Sie seien – wie Urteile – nur ausnahmsweise nichtig. Von dieser Möglichkeit abgesehen, könnten sie nur im Rahmen der dagegen vorgesehenen Rechtsbehelfe, nicht aber in jeder Lage eines Verfahrens darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllt gewesen sind. Das gelte grundsätzlich auch für den Berichtigungsbeschluss gemäß § 319 ZPO (vgl. BGH, Urteil v. 10.3.1983, III ZR 135/82 m. w. N.). Ist er formell rechtskräftig geworden, so sei er regelmäßig nicht in anderem Zusammenhang darauf zu überprüfen, ob er die Grenzen des § 319 ZPO einhält (BGH, a. a. O. mit Hinweis auf RG, JW 1930, 1001 und BGH, LM § 319 ZPO Nr. 12 Bl. 2). Allerdings wird vom BGH derartigen Beschlüssen insoweit nur eingeschränkte Bindungswirkung zuerkannt, als durch sie nachträglich erstmals ein Rech...