Rz. 10

Nicht in jedem Fall ist ein erhobener Anspruch/gestellter Antrag, über den im Urteil nicht entschieden worden ist, übergangen i. S. d. § 140. Wenn das Gericht über diesen Anspruch nicht entschieden hat, weil es ein Teilurteil (vgl. Kommentierung zu § 125 Rz. 8) gewählt hat, ist für eine Urteilsergänzung nach § 140 kein Raum. Es kommt dabei nicht darauf an, ob das Gericht das Teilurteil als solches bezeichnet hat und ob es zu Recht die Voraussetzungen für ein Teilurteil angenommen hat (vgl. Mey, S. 536 Rn. 37), solange nur in dem Urteil selbst oder zumindest in den insoweit eindeutigen Begleitumständen zum Ausdruck kommt, dass das Gericht nur über einen Teil des Streitgegenstands entscheiden und den Rest einer späteren Entscheidung vorbehalten will (vgl. BVerwG, NVwZ 1994 S. 1117). Entscheidende Voraussetzung der Urteilsergänzung ist, dass das Gericht nicht bewusst, sondern versehentlich nicht über den Anspruch entschieden hat (allg. Meinung vgl. z. B. BSG, SozR 5310 § 6 Nr. 2; BVerwG, NVwZ 1994 S. 1117; BGH, NJW 1980 S. 840; LSG NRW, Urteil v. 13.1.2006, L 13 R 224/05; Zeihe, § 140 Rn. 5a; Rennert, in: Eyermann, § 120 Rn. 4; Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, § 140 Rn. 9; Stein/Jonas/Leipold, § 321 Rn. 6). Auch die irrtümliche Nichtenscheidung über den Anspruch, etwa weil eine teilweise Rücknahme der Klage angenommen worden ist, ist keine versehentliche, sondern eine bewusste und schließt eine Urteilsergänzung aus. Die Abgrenzung ist wie folgt vorzunehmen: Ein unvollständiges Urteil i. S. v. § 140 SGG (§ 120 VwGO) liegt vor, wenn sich das Gericht mit dem weitergehenden Klageantrag versehentlich überhaupt nicht befasst hat. Hat es hingegen den Umfang des Streitgegenstands geprüft und ihn rechtsirrtümlich zu eng gezogen, kann die fehlerhafte Entscheidung nur mit einem Rechtsmittel angegriffen werden (vgl. Uerpmann, NVwZ 1994 S. 1078, 1079; BVerwG , Buchholz 310 § 88 Nr. 15). Wenn das Gericht die von ihm angeregte, dem erkennbaren Klageziel aber nicht voll entsprechende Fassung des protokollierten Berufungsantrags als maßgeblich zugrunde gelegt und über das in dieser Weise eingeschränkte Begehren des (im entschiedenen Fall anwaltlich nicht vertretenen) Klägers in vollem Umfang entschieden hat, so liegt darin kein Übergehen eines gestellten Antrags (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 25). Das Gericht hat vielmehr ein Vollurteil erlassen, das an einer Verletzung des § 123 leidet. Der Kläger muss daher nicht die Urteilsergänzung beantragen, sondern das vorgesehene Rechtsmittel einlegen. Weil sein bisheriger Antrag nicht den gesamten Umfang seines eigentlichen Klagebegehrens umfasste, ist mit einer Klarstellung dieses Antrags keine Klageänderung verbunden (BSGE 68 S. 190).

 

Rz. 11

(Rn. 11 unbesetzt)

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