2.1 Beschwer des Berufungsführers

2.1.1 Kläger

 

Rz. 3

Berufung kann von jedem eingelegt werden, der durch das angefochtene Urteil rechtlich beschwert ist (vgl. Vorbemerkung zu §§ 143 ff.). Für das Rechtsmittel des Klägers kommt es auf die formelle Beschwer an. Diese liegt vor, wenn die vorinstanzliche Entscheidung dem Begehren nicht oder jedenfalls nicht in vollem Umfang entsprochen hat (BSG, Urteil v. 29.9.1999, B 6 KA 45/98 R, USK 99157; BSG, Urteil v. 6.2.1992, 7 RAr 78/90 = SozR 3-1500 § 54 Nr. 9; BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 19/06 R, SozR 4-3250 § 14 Nr. 3; BSG, Urteil v. 5.6.1991, 7 RAr 26/89, SozR 3-4100 § 116 Nr. 1; Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, vor § 124 Rn. 41; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 143 Rn. 20; BGH, Urteil v. 9.10.1990, VI ZR 89/90, NJW 1991 S. 703 m. w. N.; OLG Frankfurt, Beschluss v. 11.9.2007, 11 W 38/06, juris). Die formelle Beschwer ist z. B. gegeben, wenn das Gericht lediglich über einen Hilfsantrag, nicht aber über den Hauptantrag des Klägers im Klageverfahren entschieden hat (BFH, Beschluss v. 3.9.2007, VI B 57/07, BFH/NV 2007, 2325). Weiteres Beispiel: Wird der GdB auf den Wert festgesetzt, der im Widerspruchsantrag als Mindestwert des erstrebten „höheren GdB2 bezeichnet war, ist der Betroffene nicht beschwert (BSG, Urteil v. 9.8.1995, 9 RVs 7/94 = SozR 3-1930 § 116 Nr. 7).

 

Rz. 4

Obsiegt der Kläger insofern, als er ein Bescheidungsurteil erstreitet (§ 131 Abs. 3 SGG), kann er dennoch beschwert sein, wenn die Rechtsauffassung, die die Behörde nach Vorgabe des Gerichts bei der Neubescheidung zu beachten hat, nicht derjenigen des Klägers entspricht und sich diese Abweichung für ihn negativ auswirkt (BSG, Urteil v. 28.1.2004, B 6 KA 52/03 R, MedR 2004, 396 bis 404). Der durch ein Anerkenntnisurteil Begünstigte kann dieses mangels Beschwer nicht anfechten (LSG BW, Urteil v. 16.12.1996, L 5 Ka 3099/96 = NZS 1997, 199).

 

Rz. 4a

Trotz Vorliegens der Beschwer kann in seltenen Ausnahmefällen das Rechtsschutzinteresse fehlen, wenn der Rechtsweg unnötig, zweckwidrig oder missbräuchlich ­beschritten wird (BGH, Entscheidung v. 3.11.1971, IV ZR 26/70, BGHZ 57, 224; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, vor § 143 Rn. 5 m. w. N.). Unnütz und deshalb unzulässig ist ein Rechtsmittel insbesondere dann, wenn durch die angefochtene Entscheidung keine Rechte, rechtlichen Interessen oder sonstigen schutzwürdigen Belange des Rechtsmittelführers betroffen sind und die weitere Rechtsverfolgung ihm deshalb offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (BSG, Urteil v. 8.5.2007, B 2 U 3/06 R, SozR 4-2700 § 136 Nr. 3).

2.1.2 Beklagter

 

Rz. 4b

Das Rechtsmittel des Beklagten verlangt eine materielle Beschwer (hierzu vor §§ 143 ff. Rz. 11).

2.1.3 Beigeladener

 

Rz. 5

Bei Beigeladenen oder bei am Verfahren bislang nicht beteiligten Dritten ist die Zulässigkeit des Rechtsmittels davon abhängig, ob sie durch die angefochtene Entscheidung materiell beschwert, d. h. in ihren rechtlichen Interessen nachteilig berührt sind (vgl. BSG, Urteil v. 5.6.1991, 7 RAr 26/89, BSGE 69 S. 25; ebenso BVerwG, Urteil v. 31.1.1969, IV C 83.66, BVerwGE 31 S. 233; BVerwG, Urteil v. 10.12.1970, VIII C 84.69, BVerwGE 37, S. 43 f.; BverwG, Urteil v. 23.8.1974, IV C 29.73, BVerwGE 47, S. 19; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 143 Rn. 21; Kopp/Schenke, VwGO, vor § 124 Rn. 46 ff.). Die materielle Beschwer setzt mithin voraus, dass der betreffende Rechtsmittelführer aufgrund der Bindungswirkung des vorinstanzlichen Urteils unmittelbar in eigenen Rechtspositionen beeinträchtigt sein kann (BSG, Beschluss v. 3.8.2011, B 11 SF 1/10 R, juris; Urteil v. 14.3.2006, B 4 RA 55/04 R, SozR 4-2600 § 166 Nr. 2; Urteil v. 3.12.1997, 6 RKa 64/96, SozR 3-2500 § 101 Nr. 2 m. w. N.; Urteil v. 20.3.1996, 6 RKa 51/95, BSGE 78 S. 98 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 12; vgl. auch VGH Bayern, Beschluss v. 12.7.2007, 15 ZB 06.3298, juris).

 

Rz. 5a

So sind die an der Vereinbarung eines Normsetzungsvertrages (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V) Beteiligten im gerichtlichen Verfahren einfach beizuladen (§ 75 Abs. 1 SGG). Die Partner der Bundesmantelverträge (BMVe) sind in Fällen, in denen die Gültigkeit einer Regelung des EBM-Ä in Frage steht, mittels solcher gerichtlichen Entscheidungen materiell beschwert, durch die Vorschriften des EBM-Ä inzident verworfen werden (BSG, Urteil v. 20.3.1996, 6 RKa 51/95, BSGE 78, 98, 99 = SozR 3-2500 § 87 Nr. 12 S. 34 für die KBV; BSG, Urteil v. 24.9.2003, B 6 KA 37/02 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 3 für den Bewertungsausschuss). Der Bewertungsmaßstab nach § 87 Abs. 1 SGB V wird von den Partnern der BMVe durch den Bewertungsausschuss als Vertragsorgan vereinbart und ist Bestandteil der BMVe. Deshalb ist es sachgerecht, die Partner der BMVe zu solchen Streitverfahren einfach beizuladen (§ 75 Abs. 1 SGG), in denen inzident über die Gültigkeit einer Bestimmung dieser Verträge gestritten wird. Den Partnern der BMVe steht im Fall der Normverwerfung seitens des Gerichts die Befugnis zu, wegen der Betroffenheit in der ihnen gesetzlich zugewiesenen Verantwortung für die vertragsärztliche Versorgung insge...

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