1 Allgemeines
Rz. 1
Durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege v. 11.1.1993 (BGBl. I S. 50) sind zum 1.3.1993 an die Stelle der §§ 144 bis 150 die §§ 144, 145 getreten. Hierdurch sind im Wesentlichen die seinerzeit im Gesetz zur Entlastung der Gerichte der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit v. 31.3.1978 (BGBl. I S. 446) für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vorgesehenen Regelungen übernommen worden, die mittels des 4. VwGOÄndG v. 17.12.1990 (BGBl. I S. 2809) in die VwGO einbezogen und durch das 6. VwGOÄndG v. 1.11.1996 (BGBl. I S. 1626) grundlegend geändert worden sind. Das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) hat § 144 mit Wirkung zum 2.1.2002 geändert. Nunmehr ist in § 144 Abs. 2 Nr. 2 bestimmt, dass die Berufung auch dann zuzulassen ist, wenn das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abweicht. Dabei handelt es sich ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/5943 S. 27) um eine redaktionelle Anpassung an die bereits erfolgte Änderung des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG durch das 5. Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht v. 2.8.1993 (BGBl. I S. 1442). Eine weitere Änderung hat § 144 durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes (SGGArbGÄndG) v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444) ab dem 1.4.2008 erfahren. Dadurch wurde in Abs. 1 Nr. 1 nach dem Wort "Geld-" ein Komma und das Wort "Dienst-" eingefügt sowie die Angabe "500 Euro" durch die Angabe "750 Euro" und in Nr. 2 die Angabe "5 000 Euro" durch die Angabe "10 000 Euro" ersetzt. Als Begründung wird hierzu ausgeführt, dass Dienstleistungen gemäß der ratio der Norm nicht von ihrem Anwendungsbereich ausgeschlossen sind. Im Sinne einer Klarstellung werden daher Dienstleistungen ausdrücklich in den Geltungsbereich der Norm einbezogen (BT-Drs. 16/7716 S. 26). Die Erhöhung des Beschwerdewertes soll die Landessozialgerichte entlasten. Die Anhebung der 500-Euro-Grenze entspreche im Übrigen in etwa einem an der Kaufkraftreduzierung orientierten Ausgleich. Schriebe man die seinerzeit geltende 1.000-DM-Grenze aus dem Jahre 1991 fort, ergäbe sich für das Jahr 2008 eine Wertgrenze von ca. 710 Euro, die auf 750 Euro aufzurunden wäre (so BT-Drs.16/7716 S. 26).
Rz. 1a
Da das SGGArbGGÄndG keinerlei Übergangsvorschriften enthält, stellt sich die Frage danach, ob die Neuregelung auch für bereits anhängige Verfahren gilt. Dies ist hinsichtlich § 144 zu verneinen. Das ergibt sich wie folgt: Die Änderungen des SGG sind mangels Übergangsbestimmungen grundsätzlich vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens am 1.4.2008 in noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden. Die Weitergeltung der bisherigen verfahrensrechtlichen Voraussetzungen bestimmt sich nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts. Bei Fehlen von Übergangsbestimmungen sind geänderte Verfahrensvorschriften nach den Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts grundsätzlich vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens in noch nicht abgeschlossenen Verfahren anzuwenden, wenn der Beteiligte nach dem bisherigen Verfahrensrecht noch keine schutzwürdige Position erlangt hat, die es nach dem neuen Verfahrensrecht nicht mehr gibt. Ein Beteiligter muss grundsätzlich mit einer Änderung des Prozessrechts in einem noch anhängigen Verfahren rechnen. Prozesshandlungen sind grundsätzlich mit dem Inkrafttreten eines Änderungsgesetzes nach dem neuen Recht zu beurteilen, soweit es nicht um unter der Geltung des alten Rechts abgeschlossene Prozesshandlungen und abschließend entstandene Prozesslagen geht. Abweichendes kann sich auch aus dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift oder aus dem Zusammenhang mit anderen Grundsätzen des Prozessrechts ergeben (BGH, Urteil v. 24.10.2007, V ZR 12/07, MDR 2008 S. 159; BSG, Urteil v. 21.4.1993, 14a RKa 6/92, SozR 3-5555 § 15 Nr. 1). Die Regel, dass neues Prozessrecht für anhängige Verfahren gilt, steht unter dem Vorbehalt der Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Das Vertrauen eines Beteiligten in den Fortbestand verfahrensrechtlicher Regelungen ist von der Verfassung weniger geschützt als das Vertrauen in die Aufrechterhaltung materieller Rechtspositionen. Im Einzelfall können nach den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verfahrensrechtliche Regelungen ihrer Bedeutung und des Gewichts wegen in gleichem Maße wie Positionen des materiellen Rechts vertrauenswürdig sein. Dies wird angenommen, wenn das in Rede stehende Verfahrensrecht nicht bloß ordnungsrechtliche, technische Prozessführungsregeln zum Inhalt hat, sondern Rechtspositionen gewährt, die in ihrer Schutzwürdigkeit materiell-rechtlichen Gewährleistungen vergleichbar sind (BSG, Beschluss v. 19.2.1992, GS 1/89, BSGE 70 S. 133; BSG, Urteil v. 21.4.1993, 14a RKa 6/92, SozR 3-5555 § 15 Nr. 1; BSG, Urteil v. 13.3.1997, 11 RAr 51/96, SozR 3-4100 § 152 Nr. 7; BSG, Urteil v. 30.1.2002, B 6 KA 12/01 R, SozR 3-2500 § 135 Nr. 1; BSG, Beschluss v. 8.7.2002, B 3 P 3/02 R, SozR3-1500 § 164 Nr. 13; BFH, Beschluss v. 8...