Rz. 8
Ein bestimmter Antrag muss nicht gestellt werden (anders § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO, hierzu VGH Mannheim, Beschluss v. 1.7.2002, 11 S 1293/02, NJW 2003 S. 80). Welcher Rechtsbehelf (Nichtzulassungsbeschwerde oder Berufung) eingelegt worden ist, muss ggf. durch Auslegung ermittelt werden (LSG NRW, Beschluss v. 8.12.2010, L 12 SO 484/10; vgl. hierzu die Vorbemerkungen zu §§ 143 ff. und Kommentierung zu § 143). Für die Frage, welches Rechtsmittel der Rechtsmittelführer eingelegt hat, kommt es gemäß § 106 Abs. 1 SGG und § 133 BGB zunächst auf dessen wirklichen Willen und auf dessen erkennbares Prozessziel an. Entscheidend ist, welchen Sinn die Erklärung aus der Sicht des Gerichts und des Prozessgegners hat. Dabei ist der Rechtsmittelführer nicht allein am Wortlaut festzuhalten (BSG, Beschluss v. 8.11.2005, B 1 KR 76/05 B, SozR 4-1500 § 158 Nr. 2). In verfassungsorientierter Auslegung (Art 19 Abs. 4 GG) dürfen Rechtsmittelerklärungen nicht so ausgelegt werden, dass dem Rechtsmittelführer der Zugang zu den im SGG eingeräumten Instanzen in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert wird (BVerfG, Beschluss v. 2.12.1987, 1 BvR 1291/85, BVerfGE 77 S. 275). Ausgehend hiervon liegt unzweifelhaft eine Berufung (§ 151 SGG) vor, wenn die Überprüfung eines Urteils oder Gerichtsbescheids des SG begehrt wird und unzweifelhaft ist, dass das LSG hierüber ohne vorherige besondere Zulassung entscheiden darf. Hingegen ist das Rechtsmittel der NZB eingelegt, wenn der Rechtsmittelführer die Überprüfung der Nichtzulassung der Berufung durch das SG begehrt und eine Berufung ohne Zulassung nicht statthaft ist (BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 19/06 R, SozR 4-3250 § 14 Nr. 3).
Rz. 8a
Die Umdeutung einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Berufung ist nicht möglich (zutreffend: BSG, Beschluss v. 2.6.2004, B 7 AL 10/04 B; BSG; Urteil v. 20.5.2003, B 1 KR 25/01 R, SozR 4-1500 § 158 Nr. 1; BSG, Urteil v. 8.11.2001, B 11 AL 19/01 R; LSG Sachsen, Urteil v. 3.11.2010, L 1 AL 127/10; Zeihe, SGG, 11/2010, § 145 Rn. 2a; Burkiczak, SGb 2010 S. 552; "i. d. R. kein Raum" für eine Umdeutung: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Aufl. 2008, vor § 60 Rn. 11b); ggf. muss das Gericht darauf hinwirken, dass ein korrektes Rechtsmittel eingelegt wird (BSG, Urteil v. 14.12.2006, B 4 R 19/06 R, SozR 4-3250 § 14 Nr. 3).
Rz. 8b
Auch die Umdeutung der Berufung eines rechtskundig vertretenen Beteiligten in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist regelmäßig unzulässig (vgl. BSG, Urteil v. 19.11.1996, 1 RK 18/95, SozR 3-1500 § 158 Nr. 1; zu § 166 SGG: BSG, Urteil v. 11.5.1999, B 11/10 AL 1/98 R; Urteil v. 20.5.2003, B 1 KR 25/01 R, SozR 4-1500 § 158 Nr. 1; Zeihe, SGG, § 145 Rn. 3c). Eine Umdeutung von Eingaben, Petitionen oder Dienstaufsichtsbeschwerden scheidet gänzlich aus, und zwar unabhängig davon, ob der Beteiligte rechtskundig ist oder nicht (vgl. Zeihe, a. a. O.).