Rz. 29

Wird der Beteiligte sachkundig vertreten, besteht für eine Umdeutung kein Raum (vgl. Greger, NJW 2002 S. 3049, 3053). Das kann allerdings nur dann gelten, wenn die Rechtsbehelfsbelehrung eindeutig ist. Fehlt es daran, mag im Einzelfall eine nicht statthafte Berufung in eine Beschwerde umgedeutet werden können.

 

Rz. 30

Eine Berufung kann grundsätzlich nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden (BSG, Beschluss v. 6.2.1997, 14/10 BKg 14/96, SozR 3-1500 § 144 Nr. 11). Umgekehrt kann eine Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich nicht in eine Berufung umgedeutet werden (vgl. LSG Thüringen, Urteil v. 27.1.2011, L 9 AS 799/08; LSG Sachsen, Urteil v. 3.11.2010, L 1 AL 127/10). Die Umdeutung der Berufung eines rechtskundig vertretenen Beteiligten in eine Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig (BSG, Urteil v. 19.11.1996, 1 RK 18/95, SozR 3-1500 § 158 Nr. 1; BVerwG, Beschluss v. 13.6.1994, 9 B 374/94, DVBl 1994 S. 1409). Die von einem nicht rechtskundigen Beteiligten eingelegte Berufung kann allenfalls in sehr engen Grenzen in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden (Leitherer, SGG, vor § 143 Rn. 15c; Peters/Sautter/WoIff, SGG, § 145 Rn. 19; Zeihe, NVwZ 1995 S. 560, 561; BSG, Urteil v. 20.5.2003, B 1 KR 25/01 R, NZS 2004 S. 334). Das ergibt sich wie folgt: Auch für einen nicht anwaltlich vertretenen Kläger scheidet eine Umdeutung aus, wenn die zutreffende Rechtsmittelbelehrung für dessen Erkenntnisvermögen ohne weiteres verständlich war (LSG NRW, Urteil v. 3.7.2000, L 16 P 67/00 zur Frage, ob eine Beschwerde in eine Berufung umgedeutet werden kann). Der Begriff der Umdeutung wird im Gesetz für fehlerhafte Verwaltungsakte (vgl. § 43 SGB X, § 47 VwVfG) und für nichtige Rechtsgeschäfte verwendet (vgl. die Überschrift zu § 140 BGB). Da es sich bei einem unzulässigen Rechtsmittel weder um das eine noch um das andere handelt, ist bei der Annahme von Umdeutungsmöglichkeiten Zurückhaltung geboten (vgl. auch BGH, Beschluss v. 21.6.2000, XII ZB 93/00, NJW-RR 2001 S. 279 m. w. N.). Dennoch ist insbesondere für den Zivilprozess anerkannt, dass in besonderen Konstellationen eine unzulässige Prozesshandlung und ausnahmsweise auch eine Rechtsmittelerklärung in ein nach Intention und rechtlicher Wirkung vergleichbares Pendant umzudeuten ist, wenn dessen Voraussetzungen eingehalten sind, die Umdeutung dem Parteiwillen entspricht und kein schutzwürdiges Interesse des Prozessgegners entgegensteht (BGH, Beschluss v. 1.6.1983, IVb ZR 365/81, NJW 1983 S. 2200 m. w. N. für das Verhältnis von Abänderungs- und Leistungsklage; BGH, Beschluss v. 26.10.1999, X ZB 15/99, VersR 2001 S. 730 m. w. N.; BGH, Beschluss v. 1.10.1986, IVb ZB 83/86, FamRZ1987 S. 154 für ein selbstständiges im Verhältnis zum Anschlussrechtsmittel; BGH, Beschluss v. 25.11.1986, VI ZB 12/86, NJW 1987 S. 1204: sofortige Beschwerde als Berufung). Für das Verhältnis von Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde kann das aber schon wegen der unterschiedlichen Zielrichtung der beiden Rechtsmittel nicht gelten. Beide zielen zwar im Ergebnis auf eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung durch die höhere Instanz. Unmittelbar richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde aber nicht gegen den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahrens, sondern gegen eine prozessuale Teilentscheidung; demzufolge ist der Prüfungsgegenstand ein anderer als im Berufungsverfahren. Mithin lässt sich die Vergleichbarkeit in Intention und rechtlicher Wirkung nicht von vornherein bejahen. Es ist auch nicht in allen Fällen als selbstverständlich anzunehmen, dass die Umdeutung dem Beteiligtenwillen entsprechen würde. Vielmehr ist es denkbar, dass der Rechtsmittelführer den zusätzlichen Aufwand einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf sich genommen hätte, wenn ihm die Unzulässigkeit der Berufung und der die Unzulässigkeit begründende geringe Beschwerdewert bewusst gewesen wäre. Im Verwaltungsprozess und speziell im sozialgerichtlichen Verfahren scheidet die Umdeutung eines unzulässigen Rechtsmittels in das zulässige auch wegen der allen anfechtbaren Entscheidungen beizufügenden Rechtsmittelbelehrung (für Urteile vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 7 SGG) aus. Durch die Belehrung sind Irrtümer oder Verwechslungen bei der Bezeichnung des Rechtsmittels weitgehend ausgeschlossen. Unabhängig davon, ob das eingelegte Rechtsmittel der erteilten Belehrung entspricht oder davon abweicht, ist für die Annahme kein Raum, der Erklärende habe ein anderes als das von ihm bezeichnete Rechtsmittel einlegen wollen; abgesehen vom Fall eines eindeutig erklärten Vorbehalts, muss vielmehr davon ausgegangen werden, dass er das in der Belehrung genannte Rechtsmittel für das Richtige gehalten bzw. bewusst ein anderes gewählt hat. In bestimmten Fällen mag es bei Abweichungen von der Belehrung möglich sein, das angestrebte Rechtsmittel durch Auslegung zu ermitteln – beispielsweise, wenn der eingelegte Rechtsbehelf nach dem derzeitigen Verfahrensstand überhaupt nicht in Betracht kommt oder wenn andere Umstände hinzutreten, ...

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