2.2.2.1 Aussetzung und Ruhen
Rz. 10
Die Voraussetzungen der Aussetzung (Nr. 1) sind in § 114 geregelt. Erfasst wird die Entscheidung über die Aussetzung und die Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens. Aussetzung und Vorlage an das BVerfG (Art. 100 Abs. 1 GG) sind dem nicht zuzurechnen. Hierüber entscheidet der volle Spruchkörper (Zeihe, SGG, § 155 Rn. 11a; Keller, SGG, § 155 Rn. 9a, vgl. aber Bernsdorff, in: Hennig, SGG, § 155 Rn. 36: nur der Vorlagebeschluss sei dem Senat vorbehalten), denn im Verfahren der konkreten Normenkontrolle ist eine Vorlage an das BVerfG den Gerichten vorbehalten (BVerfG, Beschluss v. 5.5.1998, 1 BvL 23/97, NJW 1999 S. 274). "Gericht" kann zwar auch der Einzelrichter sein, indes nur soweit er nach der jeweiligen Prozessordnung dazu berufen ist, die anstehende Entscheidung allein zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss v. 3.6.1980, 1 BvL 114/78, BVerfGE 54 S. 159, 163 f.). Nach der Finanzgerichtsordnung kann der Berichterstatter nicht als konsentierter Einzelrichter die Entscheidung des BVerfG darüber einholen, ob die von ihm als verfassungswidrig erachteten Vorschriften mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Es stellt einen Ermessensmissbrauch dar, wenn der Berichterstatter nach § 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO einen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss erlässt (vgl. BVerfG, Beschluss v. 5.5.1998, 1 BvL 23/97, NJW 1999 S. 274; hierzu Pahlke, DB 1997 S. 2454). Für das SGG-Verfahren gilt nichts anderes, denn § 79a FGO entspricht insoweit dem Regelungsgehalt des § 155 SGG.
Rz. 11
Das Ruhen des Verfahrens (Nr. 1) kann unter den Voraussetzungen des § 251 ZPO vom Vorsitzenden bzw. Berichterstatter angeordnet werden (kritisch: Zeihe, SGG, § 155 Rn. 12a). Darüber hinaus ist deren Zuständigkeit für die Zurückweisung des Ruhensantrags und für die Fortführung eines ruhenden Verfahrens gegeben.
2.2.2.2 Rücknahme/Verzicht/Anerkenntnis
Rz. 12
Von Nr. 2 werden die Wirkungen einer Klage- (§ 102 Satz 3) oder Berufungsrücknahme (§ 156) erfasst. Die Vorschrift meint Beschlüsse über die Wirkungslosigkeit bereits ergangener Entscheidungen und über die Kosten (Keller, SGG, § 153 Rn. 9b). Sie bezieht sich ferner auf Rücknahmen eines Antrags in einem selbständigen Verfahren (z. B. einstweiliger Rechtsschutz). Vom Wortlaut wird auch der Verzicht erfasst. Der Verzicht auf einen Anspruch hat indes keine unmittelbare prozessuale Konsequenz. Er muss mit einer Prozesserklärung verbunden werden, über die der Vorsitzende oder Berichterstatter entscheidet. Wird z. B. die Klage in der Berufungsinstanz zurückgenommen, so ist auf Antrag auszusprechen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, ggf. mit der Klarstellung, dass die Entscheidung des SG wirkungslos ist, und, soweit Kosten entstanden sind, über diese zu entscheiden (Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 155 Rn. 28). Entsprechendes gilt bei Annahme eines Anerkenntnisses (§ 101 Abs. 2). Ist streitig, ob die Berufung (oder Klage) wirksam zurückgenommen wurde, entscheidet der Senat (Keller, SGG, § 153 Rn. 9b). Ist streitig, ob das angenommene Anerkenntnis den Rechtsstreit erledigt hat, kann nicht nach Abs. 2 Nr. 2 verfahren werden (abw. Vorauflage und Meyer-Ladewig, SGG, 8. Aufl., § 155 Rn. 9a). Die Vorschrift betrifft nur Nebenentscheidungen (Keller, SGG, § 155 Rn. 9b; Zeihe, SGG, § 155 Rn. 16b). Über das Anerkenntnisurteil hat daher der Senat zu befinden (a. A. Knecht, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 155 Rn. 11).
Rz. 13
Nr. 2 ist durch das 1. Justizmodernisierungsgesetz v. 24.8.2004 (BGB1.I S. 2198) dahingehend geändert worden, dass jeweils die Worte "auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe" eingefügt wurden. Musste zuvor der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern über einen noch anhängigen Antrag auf Prozesskostenhilfe entscheiden, ist diese Aufgabe nunmehr dem Vorsitzenden (Abs. 3) bzw. dem weiteren Berufsrichter (Abs. 4) übertragen.
2.2.2.3 Hauptsacheerledigung
Rz. 14
Die Norm meint eine Entscheidung über die deklaratorische Feststellung der Erledigung und die Entscheidung über die Kostenentscheidungen nach Erledigungserklärung (Keller, SGG, § 155 Rn. 9c). Die Vorschrift bezieht sich ausweislich ihres Wortlauts sowohl auf einseitige als auch auf übereinstimmende Erledigungserklärungen. Die einseitige Erledigung ist die gesetzliche Folge des angenommenen Anerkenntnisses. Deswegen ist jede einseitige Erledigungserklärung auszulegen und einem vom SGG vorgesehenen Rechtsinstitut zur Verfahrensbeendigung zuzuordnen (vgl. BSG, Urteil v. 20.12.1995, 6 RKa 18/95, USK 95155; Urteil v. 9.6.1994, 6/14a RKa 3/93, USK 95122; vgl. auch Zeihe, SGG, § 155 Rn. 17). Zur Kostenfolge einer einseitigen Erledigungserklärung im Anwendungsbereich des § 197a vgl. LSG NRW, Beschluss v. 31.10.2011, L 11 KA 61/11 B ER, und Beschluss v. 21.5.2010, L 11 B 15/09 KA ER, sowie die Kommentierung zu § 197a. Ist streitig, ob die Hauptsache erledigt ist, entscheidet der Senat (vgl. Rz. 13; Knecht, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 155 Rn. 12). Beziehen sich die Erledigungserklärungen nur auf einen Teil des Streitgegenstandes, greift Abs. 2 Nr. 3 gleichermaßen nicht (Keller, SGG, § 155 Rn. 9c)
Rz. 1...