Rz. 12
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 kann das LSG durch Urteil eine angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn dieses die Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. § 159 Abs. 1 Nr. 1 betrifft mithin jedenfalls die Fälle, in denen das SG die Klage durch Prozessurteil oder inhaltsgleichen Gerichtsbescheid als unzulässig abgewiesen hat.
Rz. 13
Dennoch bleibt fraglich, was unter der Formulierung "ohne in der Sache zu entscheiden" zu verstehen ist. Zum Teil und die VwGO betreffend ganz überwiegend wird die Auffassung vertreten, in entsprechender Anwendung des § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG bzw. § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO fehle eine Entscheidung in der Sache auch dann, wenn das Gericht in einer rechtlichen Vorfrage die Weiche falsch stelle und deswegen zum eigentlichen Gegenstand des Streites nicht vorgedrungen sei (vgl. BVerwG, Urteil v. 27.11.1981, 8 B 189/81, DVBl 1982 S. 546; Urteil v. 13.12.1958, VI C 198.56, MDR 1959 S. 236; VGH Bayern, Beschluss v. 15.2.2011, 14 B 10.806; OVG Niedersachsen, Beschluss v. 20.12.2010, 4 LC 318/08; OVG NRW, Beschluss v. 5.10.2010, 15 A 528/10, DVBl 2011 S. 60; Beschluss v. 7.8.1998, 11 B 1555/98, NVwZ-RR 1999 S. 540; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 17.12.2002, 11 S 1442/02, NVwZ-RR 2003 S. 532; vgl. auch BSG, Urteil v. 18.2.1981, 3 RK 61/80, BSGE 51 S. 202, 205: Versäumung der Widerspruchsfrist; LSG NRW, Urteil v. 17.3.2010, L 8 R 145/09; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 159 Rn. 2b; Rohwer-Kahlmann, SGG, VII/1998, § 159 Rn. 3; gegen eine erweiternde Auslegung des § 159 Abs. 1 Nr. 1: Zeihe, SGG, 11/2010, § 159 Rn. 7b, 7c; Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2008, § 159 Rn. 4; Meßling, in: Hennig, SGG, 11/2011, § 159 Rn. 12). Dem ist entgegenzuhalten: Die erweiternde Auslegung einer Ausnahmevorschrift (hierzu BSG, Beschluss v. 7.5.2009, B 14 AS 91/08 B; Urteil v. 30.8.2001, B 4 RA 87/00 R, SozR 3-5050 § 22b Nr. 1) ist per se unzulässig (vgl. schon oben Rn. 9). Im Übrigen spricht schon der Wortlaut "ohne Entscheidung in der Sache" dafür, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf Fälle eines Prozessurteils zu beschränken (Meßling, in: Hennig, SGG, § 159 Rn. 12).
Rz. 14
Hat das SG der Klage ohne eine materiell-rechtliche Prüfung als begründet stattgegeben, ist eine analoge Anwendung des § 159 Abs. 1 Nr. 1 nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn das SG nicht alle Rechtsfragen behandelt hat, auf die es nach Ansicht des Berufungsgerichts ankommt (BSG, Urteil v. 13.3.1956, 2 RU 179/55, BSGE 2 S. 245; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 159 Rn. 6; Rohwer-Kahlmann, SGG, § 159 Rn. 4; Keller, SGG, § 159 Rn. 2c; Meßling, in: Hennig, SGG, § 159 Rn. 14). Das LSG darf eine Sache bei der Notwendigkeit einer weiteren Klärung des Anspruchsgrundes dann nicht an das SG zurückverweisen, wenn dieses die vom LSG bejahte Aktivlegitimation des Klägers ohne Verfahrensmangel durch Sachurteil verneint hat (vgl. BGH, Urteil v. 5.6.1975, III ZR 47/73, MDR 1975 S. 915).
Rz. 15
Hat das SG die Klage zu Unrecht abgewiesen und das LSG diese Entscheidung gleichfalls zu Unrecht bestätigt, so kann das BSG bei zulässiger Revision nicht nur das Urteil des LSG, sondern in Wahrnehmung des dem LSG nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 zustehenden Ermessens zugleich die Entscheidung des SG aufheben und den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, wenn noch weitere, zweckmäßigerweise vom SG vorzunehmende Ermittlungen erforderlich sind (so BSG, Urteil v. 12.3.1981, 11 RLw 1/80, BSGE 51 S. 223, 226). Vielfach wird allerdings zugleich ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegen, wenn das SG nicht in der Sache entscheidet. Eine Abgrenzung zwischen § 159 Abs. 1 Nr. 1 einerseits und Nr. 2 andererseits ist entbehrlich, denn die Rechtsfolgen sind identisch.
Rz. 16
Zurückverwiesen werden darf nur, wenn das SG zur Sache entscheiden kann. Das ist nicht der Fall, wenn die Klage noch aus einem anderen Grund unzulässig ist (Wolff-Dellen, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 159 Rn. 4) oder das SG lediglich ein Zwischenurteil über die Zulässigkeit erlassen hat. Die Hauptsache ist im letztgenannten Fall weiter in der ersten Instanz anhängig.