Rz. 48
Mit der Rechtskraft des zurückverweisenden Urteils wird die Verhandlung in der Vorinstanz wieder eröffnet. Das SG setzt das erstinstanzliche Verfahren fort. Irrelevant ist insoweit, ob und inwieweit das neue Verfahren ein neues Aktenzeichen erhält. Der Rechtsstreit wird im Umfang der Zurückverweisung erneut in erster Instanz anhängig. Das SG hat abermals über die mit der Klage verfolgten Ansprüche zu entscheiden (vgl. BSG, Urteil v. 31.7.1968, 11 RA 307/67, BSGE 28 S. 179). Das (neue) Verfahren ist die Fortsetzung der erstinstanzlichen Verhandlung und bildet mit ihr eine Einheit (RG, Urteil v. 1.11.1935, VI 453/34, RGZ 149 S. 158; Rohwer-Kahlmann, SGG, § 159 Rn. 311). Neues Vorbringen ist zu berücksichtigen (Peters/Sauter/Wolff, SGG, § 159 Rn. 31). Neue Anträge können gestellt werden (Rohwer-Kahlmann, SGG, § 159 Rn. 10).
Rz. 49
Eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid wird ausscheiden, weil die Voraussetzungen des § 105 im Falle einer Zurückverweisung regelmäßig fehlen werden (Peters/Sauter/Wolff, SGG, § 159 Rn. 27). Verstößt das SG hiergegen, bleibt dies allerdings infolge Neufassung des § 159 Abs. 1 sanktionslos.
Rz. 50
Fraglich ist, ob nur das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache sodann an das SG zurückverweisen ist, oder ob auch das Verfahren als solches aufgehoben werden kann. Nach § 130 Abs. 2 VwGO und § 538 Abs. 2 ZPO sind das Urteil und das Verfahren aufzuheben. § 159 Abs. 1 weicht hiervon ab. Dennoch wird teilweise befürwortet, auch das zugrundeliegende Verfahren aufzuheben (vgl. LSG, Baden-Württemberg, Urteil v. 21.7.1960, L 1c V 503/58, Breithaupt 1960 S. 1126; hierzu auch Zeihe, SGG, § 159 Rn. 4b). Danach ist soll es zulässig sein, ggf. auch die tatsächlichen Feststellungen aufzuheben (vgl. auch Zöller/Heßler, ZPO, § 538 Rn. 57). Dem ist trotz des Ausnahmecharakters des § 159 zuzustimmen. Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten eine solche Vorgehensweise dort, wo anderenfalls den Beteiligten erhebliche Nachteile drohten, sofern nicht wenigstens diejenigen Teile des Verfahrens mit aufgehoben werden, die fehlerhaft verlaufen sind und bei Aufhebung nur der Entscheidung selbst auch nicht korrigierbar wären (Meßling, in: Hennig, SGG, § 159 Rn. 40; Zeihe, SGG, § 159 Rn 4b; Zöller/Heßler, ZPO, § 538 Rn. 57). Soweit auch das Verfahren aufgehoben wird, entfallen im Umfang der Aufhebung die Wirkungen der früheren mündlichen Verhandlung; diese ist insoweit nachzuholen (Meßling, a. a. O.).
Rz. 51
Hat sich der Verfahrensfehler nur beschränkt ausgewirkt, kommt eine nur teilweise, sachlich oder zeitlich beschränkte Verfahrensaufhebung in Betracht. Möglich ist dies z. B., wenn der Zurückverweisungsgrund lediglich bezüglich eines Streitgegenstands, eines Streitgenossen oder eines Verfahrensabschnitts gegeben ist (Oberheim, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, § 538 Rn. 35). Die Entscheidung über den Umfang der Aufhebung bedarf besonderer Sorgfalt. Hiervon hängt ab, inwieweit das erste Verfahren seine Wirkungen behält oder nach der Zurückverweisung wiederholt werden muss ("Auf die Berufung des … wird die Sache unter Aufhebung des Urteils des …-gerichts … vom … und des Verfahrens, soweit beides die Widerklage betrifft, zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Widerklage an das erstinstanzliche Gericht zurückverwiesen."). Ergibt sich der Umfang nicht schon aus dem Tenor des Berufungsurteils, ist eine Auslegung unter Heranziehung der Urteilsgründe erforderlich (Oberheim, a. a. O.).
Rz. 52
Lediglich § 128 Abs. 1 Satz 1 wird insofern eingeschränkt, als das SG nunmehr an die für die Aufhebung maßgebliche rechtliche Beurteilung des LSG gebunden ist. Hierdurch soll vermieden werden, dass das SG die zur Aufhebung seines Urteils führenden Fehler wiederholt. Dies gilt selbst dann, wenn die rechtliche Beurteilung durch das LSG unrichtig sein sollte (RG, Urteil v. 3.5.1911, I 75/10, RGZ 76 S. 189; vgl. auch Peters/Sauter/Wolff, SGG, § 159 Rn. 29). Bindungswirkung entfalten die für die Zurückverweisung maßgeblichen oder damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Ausführungen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 6.3.2006, L 18 B 159/06 AS ER; OLG München, Entscheidung v. 21.2.1962, BReg 1 Z 85/61). Hiervon werden alle für die Aufhebung tragenden Gesichtspunkte, wie Rechtsausführungen, Ausführungen zur Normauslegung, Bestehen von Erfahrungssätzen, Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage oder Auslegung von Prozesshandlungen, erfasst. Für die Aufhebung nicht ursächliche "Segelanweisungen" rechnen hierzu nicht (BSG, Urteil v. 17.3.1979, 9 RV 328/68, BSGE 31 S. 74; Meßling, in: Henning, SGG, § 159 Rn. 54). Rechtliche Hinweise entbinden das SG nicht von der Verpflichtung, die maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse selbst zu ermitteln (Peters/Sauter/Wolff, SGG, § 159 Rn. 30).
Rz. 53
Das SG hat von dem Vorliegen der unverzichtbaren Prozessvoraussetzungen auszugehen, wenn die Aufhebung aus sachlich-rechtlichen Gründen erfolgt ist (vgl. BVerwG, Urteil v. 30.5.1973, BVerwG 8 C 159.72, BVerwGE 42 S. 243, 247). Ist die Aufh...