1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 161 in seiner derzeitigen Fassung besteht im Wesentlichen unverändert seit 1974. In § 161 Abs. 3 Satz 1 sind durch Art. 8 Nr. 10 Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege v. 11.1.1993 (BGBl. I S. 50) mit Wirkung zum 1.3.1993 nach dem Wort "Berufungsfrist" die Worte "oder der Frist für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung" eingefügt worden. Durch diese Neufassung wurde § 161 Abs. 3 an § 145 angepasst.

 

Rz. 2

Die Sprungrevision gibt es auch in den anderen Verfahrensordnungen (§ 134 VwGO, § 566 ZPO, § 76 ArbGG). Hingegen kennt die FGO dieses Rechtsmittel angesichts des zweistufigen Aufbaus der Finanzgerichtsbarkeit nicht. Die Sprungrevision nach § 566 ZPO weicht von § 161 in wesentlichen Teilen ab. Während nach § 161 das SG die Revision zulassen muss, ist sie nach § 566 Abs. 1 ZPO nur statthaft, sofern das Revisionsgericht sie zulässt. Entsprechend ist das Zulassungsverfahren in § 566 Abs. 2 ZPO deutlich förmlicher ausgestaltet. Demnach ist die Zulassung durch eine fristgebundene Zulassungsschrift beim Revisionsgericht zu beantragen. Die Voraussetzungen für die Zulassung (Zulassungsgründe) nach § 566 Abs. 4 ZPO sind darzulegen. Eine Zulassungsschrift sieht das SGG nicht vor. Ein Antrag ist nicht erforderlich; das SG kann die Sprungrevision von Amts wegen zulassen. Das BSG ist an die Zulassung gebunden.

2 Vorteile/Nachteile der Sprungrevision

 

Rz. 3

Die Sprungrevision ist dann sinnvoll, wenn der Sachverhalt unstreitig ist und es nur um die – möglichst zügige – Klärung von grundsätzlichen Rechtsfragen geht. Die Beteiligten begeben sich hierdurch allerdings der Möglichkeit, die vom SG festgestellten Tatsachen durch das Berufungsgericht überprüfen zu lassen, bzw. die Tatsachenbasis durch neuen Vortrag zu ändern. Es ist daher unabdingbar, dass das SG im Urteil alle Tatsachen, auf die es aus Sicht des BSG ankommen kann, sorgfältig feststellt (vgl. Zeihe, § 161 Rz. 1d); dies kann durchaus zu Problemen führen. Die Sprungrevision kann naturgemäß nicht auf Mängel des Verfahrens gestützt werden (Abs. 4, vgl. BSG, Beschluss v. 16.1.2002, B 9 VG 1/01 R). Im Übrigen ist es sinnvoll, dass das Revisionsgericht möglichst viele Argumentationslinien der Tatsacheninstanzen einschließlich der ggf. nur in Nuancen unterschiedlichen Sachverhalte kennt.

3 Verhältnis von Berufung und Sprungrevision

 

Rz. 4

Im Gegensatz zu § 566 Abs. 1 ZPO (nur Endurteile) sind nach § 161 alle rechtsmittelfähigen Urteile sowie Gerichtsbescheide des SG angreifbar. Letzteres allerdings ist angesichts der in § 105 Abs. 1 Satz 1 formulierten Voraussetzungen für einen Gerichtsbescheid schwer vorstellbar, denn misst das SG einer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung bei und lässt es aus diesem Grund in einem Gerichtsbescheid die Sprungrevision zu, wird es sich kaum um eine Sache ohne besondere Schwierigkeiten handeln.

 

Rz. 5

Die Zulassung kann das SG im Urteil oder nachträglich durch Beschluss aussprechen. Die Zulassung im Urteil erfolgt von Amts wegen, die durch Beschluss auf Antrag. Die Zulassung ist auch möglich, wenn die Berufung an sich nach § 144 Abs. 1 nicht statthaft ist (vgl. BSG, Urteil v. 11.12.2007, B 8/9b SO 21/06 R). In der Revisionszulassung durch Urteil liegt zugleich eine Berufungszulassung (vgl. Zeihe, § 161 Rz. 18a). Hat das SG die Sprungrevision zugelassen, steht den Beteiligten ein Wahlrecht zu, ob sie Berufung oder Revision einlegen. Nach Abs. 5 gelten die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners als Verzicht auf die Berufung. Die Berufung wird daher unzulässig, wenn wirksam Sprungrevision eingelegt wird. Die Zulassung der Sprungrevision durch das SG verpflichtet das LSG bei gleichwohl durchgeführtem Berufungsverfahren nicht zur Zulassung der Revision (vgl. BSG, Beschluss v. 15.10.1996, 3 BK 11/96).

Mit der Zulassung der Revision im angefochtenen Urteil des SG und der mit der Zustimmung des Beklagten eingelegten Revision des Klägers ist das Rechtsmittel der Berufung endgültig ausgeschlossen und für alle Beteiligten der Weg in die Revisionsinstanz eröffnet (vgl. BSG, Urteil v. 3.8.1999, B 4 RA 34/99 R). Vom Beigeladenen, dessen Zustimmung zur Beschreitung des Revisionswegs nicht erforderlich ist, muss die dadurch bedingte Schmälerung seiner prozessualen Rechtsstellung hingenommen werden. Sobald die Sache mit der (Sprung-)Revision an das Revisionsgericht gelangt ist, geht die von einem Beigeladenen eingelegte Berufung ins Leere (vgl. BSG, a. a. O.).

4 Statthaftigkeit (Abs. 1)

 

Rz. 6

Die Sprungrevision wird statthaft, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und das SG sie zulässt. Der Beigeladene ist nicht "Gegner" im Sinne dieser Vorschrift; er hat keine Möglichkeit, die Zulassung der Sprungrevision zu verhindern. Etwas anderes gilt nur, wenn der Beigeladene verurteilt worden ist; dann ist (auch) dessen Zustimmung erforderlich. Im Übrigen haben die Beteiligten, die nicht als "Gegner" anzusehen sind, nur die Möglichkeit, der zugelassenen Revision in den Grenzen des Abs. 2 mittels Gegenrüge entgegenzutreten (vgl. BSG, Urteil v. 18.4.2001, B 9 VG 3/00 R; BSG, SozR 3-4100 § 64 Nr. 3). Sofern ein Beigeladener Sprungrevision einlegt, müssen...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge