Rz. 5

Das revisible Recht muss verletzt sein. Das ist dann der Fall, wenn eine revisible Vorschrift nicht oder unrichtig angewandt worden ist (§ 202 SGG i. V. m. § 546 ZPO). Nicht angewandt ist eine Vorschrift, wenn sie in den Gründen überhaupt nicht erwähnt wird; ferner, wenn sie zwar erwähnt wird, aber als für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht bedeutsam angesehen wird; unrichtig angewandt ist die Vorschrift, wenn sie unrichtig ausgelegt worden ist (vgl. Zeihe, § 162 Rz. 6a).

 

Rz. 6

Revisibel sind z. B.:

  • Verfassungs-, Bundesgesetze und von Bundesorganen erlassene Verordnungen; Bundesgewohnheitsrecht;
  • Satzungen bundesunmittelbarer Körperschaften;
  • supranationales Recht, sofern dies im Geltungsbereich des GG gilt, insbesondere das Recht der Europäischen Union;
  • nach Art. 124, 125, 125a GG als Bundesrecht fortgeltendes vorkonstitutionelles Recht;
  • Besatzungsrecht, soweit es nach Art. 124, 125 GG als Bundesrecht fortgilt (vgl. BVerwG, NJW 1989 S. 3168);
  • nach Art. 9 Abs. 4 EVertr fortgeltendes Recht der vormaligen DDR (vgl. auch BGH, NJW 1993 S. 260; BSG, Urteil v. 6.3.2003, B 4 RA 13/02 R);
  • allgemeine Regeln des Völkerrechts (Art. 25 GG);
  • normsetzende Staatsverträge des Bundes;
  • allgemeine Auslegungsregeln und Erfahrungssätze, soweit sie Bundesrecht ergänzen oder aus bundesrechtlichen Vorschriften abgeleitet sind (vgl. BSG, Urteil v. 18.5.1983, 6 RKa 22/80);
  • überbezirkliches Satzungsrecht (vgl. BSGE 31 S. 47: Berufsgenossenschaften; vgl. auch BGH, NJW 1985 S. 2194);
  • sog. "typische" Verträge (vgl. BSG, Urteil v. 22.11.1994, 8 RKn 1/93);
  • Auslegung bundesweit geltender Verträge (vgl. BSG, Urteil v. 3.3.1999, B 6 KA 18/98 R zur Onkologievereinbarung);
  • Landesrecht, sofern es durch Bundesgesetz für revisibel erklärt wird.

Über den Bezirk eines LSG hinausreichende Rechtsnormen sind nur dann anzunehmen, wenn sie inhaltsgleich auch im Bezirk eines anderen LSG gelten und die Inhaltsgleichheit bewusst und gewollt und nicht nur zufällig ist (vgl. BSG, Urteil v. 22.7.2004, B 3 KR 20/03 R; BSG, Urteil v. 28.9.2006, B 3 KR 23/05 R). Zur selbständigen Auslegung nichtrevisibler Vorschriften ist das Revisionsgericht dann berechtigt, wenn das Berufungsgericht sie in den Gründen des angefochtenen Urteils unberücksichtigt gelassen hat. Diese Kompetenz hat das Revisionsgericht auch dann, wenn das LSG von nichtrevisiblen Rechtssätzen ausgeht, diese aber in den Entscheidungsgründen nicht explizit nennt; sie reicht jedenfalls so weit, wie das Revisionsgericht aus diesen Vorschriften keine Rechtsfolgen ableitet, die zu den vom Berufungsgericht entwickelten Rechtsaussagen in Widerspruch stehen (vgl. BSG, Urteil v. 14.12.2005, B 6 KA 4/05 R).

 

Rz. 7

Nicht revisibel sind z. B.:

Das Revisionsgericht kann nur dann eingreifen, wenn die Art und Weise der Auslegung mit allgemeinen Maßstäben zur Methodik der Auslegung nicht vereinbar ist oder wenn das Auslegungsergebnis gegen bundesrechtliche Normen verstößt (vgl. BSG, Urteil v. 31.1.2001, B 6 KA 33/00 R; vgl. auch BSG., Urteil v. 17.4.1996, 3 RK 19/95). Ist für die Auslegung nicht revisibler landesrechtlicher Vorschriften Bundesrecht heranzuziehen, so wird dadurch nicht die Revisibilität des betreffenden Landesrechts begründet (vgl. BSG, Urteil v. 18.5.1983, 6 RKa 22/80). Nichtrevisibles (Landes-)Recht kann vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden, ob dessen Inhalt mit Bundesrecht in Einklang steht z. B. gegen das Willkürverbot verstößt oder sonstiges Bundesrecht verletzt (vgl. BSG, Urteil v 22.7.2004, B 3 KR 20/03 R). Die Revision kann als Verletzung von Bundesrecht beispielsweise rügen, das Berufungsgericht habe bei der Anwendung von Landesrecht die Grenzen einer zulässigen verfassungskonformen Auslegung überschritten oder gegen sonstiges Bundesrecht verstoßen (vgl. BSG, Urteil v. 28.6.2001, B 3 P 9/00 R).

Ein Verstoß gegen Bundesrecht liegt nicht bereits dann vor, wenn das Revisionsgericht aus seiner Sicht zu einer anderen Auslegung kommen würde. Bundesrecht ist vielmehr erst dann verle...

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