Rz. 2
Der Regelung bedarf es, weil ein neuer Verwaltungsakt nicht gemäß §§ 96, 153 Abs. 1, 165 Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens wird (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, § 171 Rz. 3). Die Regelung unterscheidet sich von § 127 FGO, wonach der BFH bei der Ersetzung eines angefochtenen Verwaltungsaktes während des Revisionsverfahrens in der Sache entscheiden oder, wenn sich durch den neuen Bescheid tatsächliche Änderungen in Bezug auf den Streitgegenstand ergeben, die Sache an des Finanzgericht zurückverweisen kann. Der Gesetzgeber hat sich demgegenüber für eine generalisierende Regelung entschieden, die eine Befassung des BSG mit einem im Revisionsverfahren ergangenen Ersetzungsbescheid immer ausschließt. Das BSG ist an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden (§ 163) und darf grundsätzlich keine Ermittlungen durchführen. Auch eine Klageänderung ist unzulässig (§ 168 Satz 1). Hiergegen würde verstoßen, wenn das BSG auf einen neuen Bescheid in eine Sachaufklärung eintreten würde. Alternativ käme nur ein Zurückverweisung an das LSG oder SG in Betracht, um hinsichtlich des neuen Bescheides die nötige Sachaufklärung durchzuführen. Dies ist weder prozessökonomisch noch ansonsten sinnvoll. Ein Streitverfahren, in dem mehrfach Bescheide Gegenstand des Revisionsverfahren werden und jeweils eine Zurückverweisung zur weiteren Tatsachenfeststellung notwendig wäre, würde schwerlich jemals einen Abschluss finden. Deswegen gilt ein solcher Bescheid richtigerweise als mit der Klage beim SG angefochten. Die Überprüfung eines Ersetzungs- oder Änderungsbescheides während des Revisionsverfahrens ist grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2007, B 6 KA 31/06 R). Das kann zum Wegfall des Rechtsschutzbedürfnisses für das Revisionsverfahren führen, wenn nach dem Erlass ersetzender Bescheide, deren Überprüfung dem BSG entzogen ist, für das Revisionsverfahren keine "Streitreste" mehr verbleiben (vgl. BSG, Beschluss v. 5.10.2009, B 13 R 79/08 R).
§ 171 gilt entsprechend, wenn der ändernde Bescheid nach Erlass des Berufungsurteils, aber vor Einlegung der Revision ergeht (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, § 171 Rn. 3a m. w. N.). Er gilt ferner, wenn die Revision unzulässig ist (vgl. Peters/Sautter/Wolff, § 171 Rz. 10). Zutreffend wird von der Gegenmeinung zwar darauf verwiesen, dass bei einer unzulässigen Revision das angegriffene Urteil des LSG nach Ablauf der Revisionsfrist rechtskräftig wird; dass deswegen aber für die Fiktion des § 171 kein Raum bestehen soll (so Zeihe, § 171 Rz. 9c), trifft aber im Ergebnis nicht zu. Dem kann schon deswegen nicht zugestimmt werden, weil § 171 nicht nach zulässigen oder unzulässigen Revisionen unterscheidet, seine Wirkungen vielmehr immer dann eintreten, wenn während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen Verwaltungsakt abgeändert oder ersetzt wird. Nach dem Wortlaut des § 171 kommt es sonach nur darauf an, dass ein Revisionsverfahren anhängig ist, nicht jedoch, ob dem auch eine zulässige Revision zugrunde liegt. Dieses Verständnis ist auch sinnvoll, denn für die Beteiligten ist erst aufgrund einer entsprechenden Entscheidung des BSG klar, ob die Revision zulässig oder unzulässig war (vgl. aber Zeihe, a. a. O.). § 171 regelt diesen "Schwebezustand" für alle Beteiligten unmissverständlich dahin, dass ersetzende bzw. abändernde Bescheide der ersten Instanz zugewiesen werden und als mit der Klage angefochten gelten. Das Revisionsverfahren nimmt den neuen Bescheid gleichsam nicht zur Kenntnis. Das SG muss nach Abschluss des Revisionsverfahrens dieses Verfahren betreiben.
In entsprechender Anwendung gilt § 171 SGG auch für einen während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde erlassenen abändernden oder ersetzenden Verwaltungsakt (vgl. BSG, Beschluss v. 25.5.2005, B 11a/11 AL 187/04 B).
Verweist das BSG den Rechtsstreit jedoch an das LSG zurück, entfällt die Wirkung des § 171, weil kein Revisionsverfahren mehr anhängig ist und diese Sondervorschrift nicht mehr greifen kann (vgl. BSG, Beschluss v. 25.5.2005, B 11a/11 AL 187/04 B; vgl. auch Zeihe, § 171 Rz. 9b; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, § 171 Rz. 4).
Rz. 3
Von § 171 kann auch nicht mit Einverständnis der Beteiligten abgewichen werden. Die Vorschrift ist weder disponibel ausgestaltet, noch differenziert sie danach, ob im Rahmen der Prüfung des ersetzenden Bescheides ausschließlich Rechtsfragen oder auch tatsächliche Umstände zu klären sind (vgl. BSG, Urteil v. 29.8.2007, B 6 KA 31/06 R).