Rz. 5
Die Nichtigkeitsklage ermöglicht die Wiederaufnahme eines Verfahrens, wenn der Prozess mit besonders schweren prozessualen Fehlern behaftet ist. . Ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Nichtigkeitsgrund und der rechtskräftigen Entscheidung ist nicht erforderlich, die Gesetzesverletzung wird vermutet. Die Nichtigkeitsgründe sind in § 579 Abs. 1 ZPO abschließend aufgezählt (BVerfG, Beschluss v. 24.10.2017, 1 BvR 2762/12, 1 BvR 2763/12). Sie entsprechen den absoluten Revisionsgründen in § 547 Nr. 1 bis 4 ZPO.
Rz. 6
Eine Nichtigkeitsklage findet in folgenden Fällen statt:
§ 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO,
wenn das erkennende Gericht in der letzten mündlichen Verhandlung nicht vorschriftsmäßig besetzt war (BGH, Urteil v. 17.9.1998, I ZR 93/96).
Es genügt nicht, dass die fehlerhafte Besetzung auf einer irrigen Gesetzesauslegung oder einer irrtümlichen Abweichung von den Festsetzungen des Geschäftsverteilungsplans beruht, es muss sich um eine klar zu Tage liegende Gesetzesverletzung handeln, die auf einer nicht mehr hinnehmbaren Rechtsansicht und damit auf objektiver Willkür beruht (BGH, Urteil v. 22.11.1994, X ZR 51/93; BFH, Urteil v. 7.2.2018, XI K 1/17 zur Verletzung der Vorlagepflicht m. w. N.).
§ 579 Abs. 1 Nr. 2 ZPO,
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist (BGH, Urteil v. 15.9.2016, III ZR 461/15).
§ 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO,
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt oder das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (BGH, Urteil v. 15.9.2016, III ZR 461/15).
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§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO,
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie die Prozessführung nicht ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
§ 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO differenziert nicht zwischen gesetzlichen und gewillkürten Vertretern. Der Wiederaufnahmegrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist erfüllt, wenn die Prozessfähigkeit eines prozessunfähigen Beteiligten im Hauptverfahren bejaht worden ist und die Nichtigkeitsklage auf die nicht ordnungsgemäße Vertretung des Beteiligten gestützt wird (BSG, Urteil v. 14.6.1978, 9/10 RV 31/77; BSG, Beschlüsse v. 8.5.1970, 7 RU 12/70, und v. 22.12.2016, B 14 AS 279/16 B u. a.; BGH, Urteil v. 5.5.1982, IVb ZR 707/80; vgl. zur Darlegungslast LAG Schleswig-Holstein, Urteil v. 8.2.2018, 5 Sa 347/17). Wenn im Verfahren die Vorlage einer schriftlichen Vollmacht nicht erfolgt ist und der Beteiligte die Prozessführung des vollmachtlosen Vertreters nicht ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat, ist der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ebenfalls gegeben (BVerfG, Beschluss v. 29.10.1997, 2 BvR 1390/95). Der Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO kann nur von dem nicht ordnungsgemäß vertretenen Beteiligten, nicht vom Gegner geltend gemacht werden.