Rz. 7
Die Restitutionsklage soll verhindern, dass die Autorität des Gerichts und das Vertrauen in die Rechtsprechung beeinträchtigt wird, wenn rechtskräftige Urteile nicht überprüft werden können, obwohl ihre Grundlagen erschüttert sind (BVerfG, Beschluss v. 24.10.2017, 1 BvR 2762/12, 1 BvR 2763/12). Die Restitutionsgründe sind in § 580 ZPO abschließend aufgezählt. Die Restitutionsgründe der Nr. 1 bis 5 betreffen jeweils ein strafbares Verhalten, das für das angegriffene Urteil ursächlich geworden ist, die Nr. 6 bis 8 betreffen neue Erkenntnisse, welche die Urteilsgrundlagen entweder beseitigen oder eine günstigere Entscheidung herbeiführen können. Die Restitutionsgründe werden durch die Bestimmungen des § 179 Abs. 2 und § 180 ergänzt. Zwischen dem Restitutionsgrund und der angefochtenen Entscheidung muss ein Ursachenzusammenhang bestehen, in den Fällen des § 580 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 ZPO muss ein Ursachenzusammenhang zwischen der Straftat und der Entscheidung bestehen.
Rz. 8
Die Restitutionsklage findet in folgenden Fällen statt:
§ 580 Nr. 1 ZPO findet keine Anwendung.
§ 580 Nr. 2 ZPO,
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht ist.
§ 580 Nr. 3 ZPO,
wenn bei einem Zeugen oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat.
§ 580 Nr. 4 ZPO,
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist.
§ 580 Nr. 5 ZPO,
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen eine Partei schuldig gemacht hat.
§ 580 Nr. 6 ZPO,
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist.
Es müssen 3 Urteile vorliegen: ein präjudizielles Urteil, das darauf beruhende angegriffene Urteil und ein rechtskräftiges Urteil, welches das präjudizielle Urteil aufhebt. Einem Urteil steht ein urteilsersetzender Beschluss gleich (BGH, Urteil v. 23.11.2006, IX ZR 141/04). Eine entsprechende Anwendung von § 580 Nr. 6 ZPO ist möglich, wenn sich das angegriffene Urteil auf einen später aufgehobenen, präjudizellen Verwaltungsakt stützt (BSG, Urteil v. 1.10.1964, 11/1 RA 306/61; BVerfG, Beschluss v. 19.12.2006, 1 BvR 2723/06; BVerwG, Beschluss v 9.2.1993, 11 B 81/92).
Eine Änderung der Rechtsprechung stellt keinen Restitutionsgrund dar. Die Folgen einer Entscheidung des BVerfG, durch die eine Rechtsnorm oder deren Auslegung in einem bestimmten Sinne für verfassungswidrig oder die fachgerichtliche Auslegung und Anwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt wird, auf bereits rechtskräftig abgeschlossene andere Verfahren, denen die später als verfassungswidrig erkannte Norm oder Auslegung zugrunde gelegen hat, sind in § 79 BVerfGG abschließend geregelt (BVerfG, Beschluss v. 19.12.2006, 1 BvR 2723/06; BGH, Urteil v. 26.4.2006, IV ZR 26/05).
§ 580 Nr. 7 ZPO,
wenn die Partei
- ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftiges Urteil (a) oder
- eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in Stande gesetzt wird, die eine ihr günstige Entscheidung herbeigeführt haben würde (b).
Unter einer Urkunde im Sinne dieser Vorschrift ist eine schriftlich verkörperte Gedankenerklärung zu verstehen, die zur Beweiserbringung geeignet ist (BSG, Urteil v. 5.4.2001, B 13 RJ 35/00 R; BVerwG, Beschluss v.3.5.2017, 9 B 1/17; BGH, Beschluss v. 24.4.2013, XII ZB 242/09). Darunter fallen Urkunden mit formeller Beweiskraft i. S. d. §§ 415 ff. ZPO sowie auch jedes andere Schriftstück, das für die zu beweisende Tatsache lediglich einen frei zu würdigenden Beweiswert hat (BAG, Urteil v. 25.4.2007, 6 AZR 436/05). Informationen, die auf einem elektronischen Datenträger gespeichert sind, können allenfalls durch ihren Ausdruck die Urkundeneigenschaft erlangen (BVerwG, Beschluss v. 3.5.2017, 9 B 1/17). Erforderlich ist die Vorlage einer Gedankenerklärung, die Vorlage eines Augenscheinobjekts, wie z. B. eine Fotografie, CD-Aufnahme, Tonbandaufnahme, genügt nicht (BGH, Urteil v. 28.11.1975, V ZR 127/74).
Eine Urkunde begründet den Restitutionsgrund des § 580 Abs. 1 Nr. 7b ZPO, wenn sie in Verbindung mit dem Prozessstoff des Erstverfahrens aufgrund ihrer urkundlichen Beweiskraft geeignet gewesen ist, im früheren Verfahren eine günstigere Entscheidung für den Beteiligten herbeizuführen (BVerfG, Beschluss v. 24.10.2017, 1 BvR 2762/12; BGH, Urteil v. 28.2.2007, XII ZR 95/04). Für die Prüfung, ob eine nachträglich aufgefundene Urkunde eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde, darf grundsätzlich nur der Prozessstoff des Erstverfahrens in Verbindung mit der Urkunde zugrunde gelegt werden, die Einlassungen des Restitutionsbeklagten zu den nunmehr unter Urk...