Rz. 11
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage nach § 179 ist, dass das Verfahren, welches wieder aufgenommen werden soll, durch ein rechtskräftiges Endurteil oder eine einem Endurteil gleichstehende rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen ist (§ 578 ZPO; BSG, Urteil v. 9.7.1968, 10 RV 135/66; BSG, Beschlüsse v. 19.1.2017, B 8 SO 63/16 BH, v. 5.9.2018, B 12 R 7/18 B, und v. 20.1.2022, B 11 AL 20/21 BH). Es ist ausreichend, wenn die Rechtskraft der Entscheidung während des Wiederaufnahmeverfahrens eintritt. Auf welche Weise die Rechtskraft (Rücknahme, Verwerfung oder Zurückweisung des Rechtsmittels/Rechtsbehelfs bzw. Verzicht hierauf) eingetreten ist, ist unerheblich (BGH, Urteil v. 15.1.2014, VIII ZR 100/13).
Dem Endurteil steht ein Gerichtsbescheid (§ 105) und ein verfahrensbeendender, in materieller Rechtskraft erwachsender Beschluss (§ 145 Abs. 4, § 153 Abs. 4, § 158, § 160a Abs. 4, § 169, § 197) gleich (BSG, Beschluss v. 23.4.2014, B 14 AS 368/13 B; BVerwG, Beschluss v. 8.4.2015, 1 A 7/15; BGH, Beschluss v. 8.5.2006, II ZB 10/05; LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 31.1.2006, L 13 KN 2837/05; OVG Hamburg, Beschluss v. 16.1.2006, 4 Bf 435/03, zu urteilsersetzenden Beschlüssen). Der Wiederaufnahmeantrag gegen einen Beschluss leitet kein Klageverfahren, sondern ein Beschlussverfahren ein, in dem die §§ 579 bis 591 ZPO entsprechend gelten (BVerwG, Beschluss v. 8.4.2015, 1 A 7/15).
Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nach § 86b ist grundsätzlich unzulässig (BVerwG, Beschluss v. 17.10.1983, 2 WBW 1/83; LSG Bayern, Beschluss v. 12.1.2016, L 11 AS 850/15 WA; VGH Bayern, Beschluss v. 7.11.2017, 11 C 17.2086). Solche Entscheidungen stellen keine rechtskräftige Beendigung des Verfahrens i. S. d. § 179 SGG dar.
Rz. 12
Zwischenurteile, Beschlüsse, welche die Instanz nicht beenden, wie z. B. nach § 178a, nach § 73a, stellen keine rechtskräftige Beendigung des Verfahrens dar und sind damit der Wiederaufnahme nicht fähig (BSG, Beschluss v. 23.4.2014, B 14 AS 368/13 B, BSG, Beschluss v. 10.12.2010, B 4 AS 97/10 B; BVerwG, Beschluss v. 17.10.1983, 2 WBW 1/83, BVerwGE 76 7; LSG Niedersachsen, Beschluss v. 26.6.2000, L 4 KR 63/00; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 13.11.2008, L 16 B 55/08 KR ER; FG München, Beschluss v. 18.8.2016, 10 K 1868/16 [Prozesskostenhilfe]; OVG Lüneburg, Beschluss v. 6.3.2018, 13 F 65/18 [Prozesskostenhilfe]; VGH Bayern, Beschluss v. 8.3.2018, 10 ZB 18.530 [Anhörungsrüge]). Mit der Wiederaufnahmeklage können aber nach § 583 ZPO Anfechtungsgründe, durch die eine dem angefochtenen Urteil vorausgegangene Entscheidung in derselben oder einer unteren Instanz, wie z. B. ein Zwischenurteil oder Beschlüsse innerhalb eines Verfahrens, betroffen wird, geltend gemacht werden, sofern das angefochtene Urteil auf dieser Entscheidung beruht.
Ist eine gerichtliche Entscheidung unanfechtbar und liegen keine Wiederaufnahmegründe nach §§ 579, 580 ZPO, 179 Abs. 2 vor, kann ein Beteiligter bei der Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör den Rechtsbehelf der Anhörungsrüge nach § 178a einlegen. In Fällen des groben, nicht anders zu beseitigenden prozessualen Unrechts, d. h. bei offenkundigem Verstoß gegen ein anderes Verfahrensgrundrecht als dem Anspruch auf Gewährung von rechtlichem Gehör, oder des offensichtlichen Widerspruchs der Entscheidung zum Gesetz, kann das Gericht im Wege des Rechtsinstituts der "Gegenvorstellung" nochmals sachlich entscheiden (BSG, Beschluss v. 28.7.2005, B 13 RJ 178/05 B; BSG, Beschluss v. 10.12.2010, B 4 S 97/10 B).
Rz. 13
Die Wiederaufnahme eines durch eine Rechtsbehelfsrücknahme, ein angenommenes Anerkenntnis oder einen Prozessvergleich beendetes Verfahren ist nicht möglich (BSG, Urteil v. 9.7.1968, 10 RV 135/66; BSG, Urteil v. 8.11.2002, B 7 All 26/02 R; LSG Bayern, Beschluss v. 19.6.2017, L 11 AS 358/17).