Rz. 14
Die Statthaftigkeit einer Wiederaufnahmeklage setzt die schlüssige Behauptung eines im Gesetz aufgeführten Wiederaufnahmegrundes voraus (BSG, Urteile v. 10.9.1997, 9 RV 2/96; BSG, Beschluss v. 10.7.2012, B 13 R 53/12 B; BSG, Beschlüsse v. 23.4.2014, B 14 AS 368/13 B, und v. 13.4.2021, B 8 SO 11/21 B m. w. N.; BFH, Beschluss v. 10.12.2014, V S 32/14 [PKH]; BGH, Urteil v. 28.10.1971, IX ZR 79/67; BGH, Urteil v. 17.9.1998, I ZR 93/966), ohne dass der Wiederaufnahmegrund tatsächlich vorzuliegen braucht.
Bei einer Restitutionsklage nach § 580 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 ZPO genügt nach § 581 Abs. 1 ZPO für die Zulässigkeit die Behauptung einer Straftat nicht (BFH, Beschluss v. 11.8.2004, V K 1/03; BSG, Beschluss v. 13.12.2022, B 7 AS 181/22 BH). Es ist erforderlich, dass entweder wegen der Straftat eine strafrechtliche Verurteilung, die in Rechtskraft erwachsen ist, ergangen ist oder die Einleitung/Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als der Nichtbeweisbarkeit des Tatvorwurfs nicht erfolgen kann. § 581 Abs. 1 ZPO bestimmt für diese Fälle eine Bedingung für eine Fortsetzung des Prozesses in einem Wiederaufnahmeverfahren, die an eine Vorprüfung der von dem Kläger als Wiederaufnahmegrund behaupteten Straftat durch die dafür institutionell zuständigen Strafgerichte und Staatsanwaltschaften anknüpft. Liegen die besonderen Voraussetzungen der Restitutionsklage nicht vor, ist ein Wiederaufnahmeverfahren ausgeschlossen. Dem Gericht ist eine eigene Beurteilung der Richtigkeit der vorgetragenen Behauptungen versperrt (BGH, Urteil v.12.5.2005, V ZR 175/054). Ein Freispruch, die Einstellung der Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO oder eine Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Strafgericht nach § 204 StPO schließen eine Restitutionsklage aus (BGH, Urteil v.12.5.2005, V ZR 175/05). Die Einleitung des Strafverfahrens muss wegen hinzugetretener, vom Restitutionskläger nicht beeinflussbarer Umstände unmöglich sein (BGH, Urteil v.12.5.2005, V ZR 175/05.). Das Vorliegen von Strafverfolgungshindernissen, wie z. B. die Einstellung des Verfahrens aus Opportunitätsgründen nach Maßgabe der §§ 153ff. StPO (LAG Saarland, Urteil v. 11.10.2005, 4 U 630/04-176; zu § 153a Abs. 2 StPO vgl. BSG, Urteil v. 10.9.1997, 9 RV 2/961) ist ausreichend.
Rz. 15
Eine Wiederaufnahmeklage ist wegen Subsidiarität nicht statthaft, wenn die Nichtigkeitsgründe des § 579 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 ZPO oder die Restitutionsgründe des § 580 schon im früheren Verfahren, insbesondere durch Einlegung von Rechtsmitteln, hätten geltend gemacht werden können (§§ 579 Abs. 2, 582 ZPO). Der Ausschlusstatbestand greift ein, wenn der Wiederaufnahmekläger seine prozessualen Möglichkeiten schuldhaft, d. h. unter Verletzung der ihm zumutbaren prozessualen Sorgfalt, versäumt hat (BGH, Beschluss v. 27.9.2007, V ZB 196/06). Bei den Nichtigkeitsgründen nach § 579 Nr. 2 und Nr. 4 ZPO hat der Betroffene die Wahl, das zulässige Rechtsmittel oder nach Eintritt der Rechtskraft Nichtigkeitsklage einzulegen (BGH, Urteil v. 15.1.2014, VIII ZR 100/13). Es ist jedoch nicht zulässig, zunächst wegen des geltend gemachten Verfahrensmangels Rechtsmittel einzulegen und zusätzlich gegen die abschlägige Entscheidung des Rechtsmittelgerichts die Wiederaufnahme des Verfahrens zu betreiben (BAG, Urteil v. 21.7.1993, 7 ABR 25/92,). Bei erfolglosem Rechtsmittel ist die Nichtigkeitsklage auch in den Fällen von § 578 Nr. 2 und 4 ZPO ausgeschlossen (BFH Urteil v. 2.12.1998, X R 15-16/97; BSG Urteil v. 23.3.1965, 11 RA 304/64; BSG Beschluss v. 22.12.2016, B 14 AS 279/16 B u. a. m. w. N.)
Rz. 16
Die erfolglose Geltendmachung eines Wiederaufnahmegrundes nach §§ 579, 580 ZPO oder § 179 Abs. 2 im Rechtsmittelverfahren des früheren Prozesses schließt ebenfalls eine Wiederaufnahmeklage aus.