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Bis zum 2.1.2002 haben der Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit für natürliche Personen und juristische Personen des Privatrechts und die Erhebung einer streitwert- und erfolgsunabhängigen Pauschgebühr von den übrigen Beteiligten das Kostenrecht des SGG im Unterschied zu den anderen Verfahrensordnungen geprägt. Der Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit dient der Wahrung des chancengleichen Zugangs zu den Sozialgerichten. Er leitet sich aus dem Gedanken der staatlichen Daseinsvorsorge ab und soll die Durchsetzung von Ansprüchen auf Sozialleistungen gewährleisten. Der Staat, der den Versicherten in der Regel dem Versicherungszwang unterwirft, bietet ihm durch die Kostenfreiheit zum Ausgleich die Möglichkeit der umfassenden Wahrnehmung seiner Rechte (BVerfG, Beschluss v. 1.7.1987, 1 BvL 21/82). Der Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit galt bis zum 2.1.2002 für die natürlichen Personen und die juristischen Personen des Privatrechts unterschiedslos. Es wurde nicht nach der Rechtsnatur, der Funktion oder der Schutzwürdigkeit des Beteiligten differenziert. Durch das 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) sind mit Wirkung zum 2.1.2002 im sozialgerichtlichen Verfahren zwei Kostensysteme nach dem sog. Kombinationsmodell eingeführt worden, deren Ausgestaltung durch unterschiedliche Prinzipien geprägt ist. Unter Beibehaltung des Grundsatzes der Gerichtskostenfreiheit ist der Kreis der kostenprivilegierten Begünstigten in § 183 im Wesentlichen auf Versicherte, Leistungsempfänger, Behinderte und deren Rechtsnachfolger beschränkt worden. Falls ein Kläger oder Beklagter zu den in § 183 genannten Personen gehört, findet das Kostensystem der §§ 183 bis 197 Anwendung, wobei
- §§ 183 bis 192 das Kostenverhältnis zwischen den Beteiligten und dem Staat (Staatskasse) und
- §§ 193 bis 197 das Kostenverhältnis zwischen den Beteiligten
regeln. Der Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit ist für Verfahren wegen überlanger Dauer des Gerichtsverfahrens nach § 202 Satz 2 vom Gesetzgeber eingeschränkt worden (vgl. hierzu BSG, Beschluss v. 1.6.2017, B 10 ÜG 30/16 B). § 183 Satz 6 ordnet an, dass der Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit für nach § 183 Satz 1 kostenprivilegierte Personen nicht für Verfahren nach § 202 Satz 2 gilt.
Das Kostensystem der §§ 183 bis 197 ist von dem Grundsatz der Gerichtskostenfreiheit für einen privilegierten Personenkreis, der Erhebung einer streitwert- und erfolgsunabhängigen Pauschgebühr (§ 184 ff.), der Übernahme von Beteiligtenkosten (§ 191) und der Kosten für die Beweiserhebung auf die Staatskasse, der Erhebung von Verschuldenskosten (192), der Kostenverteilung zwischen den Beteiligten nach Billigkeit (§ 193) und der Vergütung der Rechtsanwälte durch Betragsrahmengebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 1 RVG) geprägt. Demgegenüber sieht § 197a in Verfahren, in denen keine der in § 183 genannten Personen als Kläger oder Beklagter am Verfahren beteiligt ist, vor, dass im Verhältnis zwischen den Beteiligten und dem Staat das GKG Anwendung findet, also streitwertbezogene Gebühren und Auslagen erhoben werden, sich die Verteilung der außergerichtlichen Kosten zwischen den Beteiligten nach den Vorschriften der VwGO richtet, die von dem Prinzip der Unterliegensgebühr geprägt sind, und Rechtsanwälte durch Wertgebühren (§ 3 Abs. 1 Satz 2 RVG) vergütet werden. Wegen der Besonderheiten der kostenrechtlichen Regeln des SGG in beiden Kostensystemen finden die Vorschriften der §§ 91 bis 107 ZPO keine Anwendung.
Überleitungsvorschrift zur Neufassung des § 183 ist Art. 17 des 6. SGGÄndG v. 17.8.2001 (BGBl. I S. 2144) .
Durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und SGB XII v. 24.3.2011 (BGBl. I S. 2302) ist ein neuer Satz 4 eingefügt worden, der bisherige Satz 4 wurde zum neuen Satz 5. Satz 6 wurde durch das Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren v. 24.11.2011 (BGBl. I S. 2302) eingefügt.