Rz. 6
Voraussetzung für die Gerichtskostenfreiheit ist, dass ein Beteiligter in einem Rechtszug i. S.d. kostenrechtlichen Vorschriften
Ein Rechtszug im kostenrechtlichen Sinne (§ 35 GKG) beginnt mit der Einreichung der Klage, der Rechtsmittelschrift oder eines pauschgebührenpflichtigen Antrags (vgl. Kommentierung zu § 184 Rn. 6). Er endet mit der Verkündung eines Endurteils, der Zustellung eines urteilsersetzenden Beschlusses, dem Abschluss eines Prozessvergleichs, der Zurücknahme des Rechtsbehelfs, der Annahme eines Anerkenntnisses oder einer sonstigen Erledigung. Der Rechtszug kann beendet sein, aber durch spätere Ereignisse wieder aufleben, z. B. durch die Zurückverweisung einer Streitsache durch Urteil (§ 37 GKG), ein Verfahren über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs (§ 37 GKG), ein Verfahren über die Wirksamkeit einer verfahrensbeendenden Erklärung.
Das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde bildet einen eigenen Rechtszug (Instanz) i. S.d. kostenrechtlichen Vorschriften, sofern die Beschwerde verworfen, zurückgewiesen oder zurückgenommen oder das vom Rechtsmittelgericht zugelassene Rechtsmittel vom Beschwerdeführer nicht eingelegt wird (BSG, Beschlüsse v. 29.5.2006, B 2 U 391/05 B, und v. 26.3.2019, B 12 R 47/18 B).
2.2.1 Kostenprivilegierte Personen
Rz. 7
In § 183 ist der Personenkreis bestimmt, der nach Auffassung des Gesetzgebers typisierend eines besonderen sozialen Schutzes in Form eines kostenfreien Rechtsschutzes bedarf. Die Zugehörigkeit zum kostenprivilegierten Personenkreis ist nicht von den individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eines Beteiligten im konkreten Einzelfall abhängig, sondern der Gesetzgeber hat typisierend die soziale Schutzbedürftigkeit als Grund für die Gerichtskostenfreiheit bei jedem angenommen, der eine der in § 183 Satz 1 SGG genannten Eigenschaften besitzt und in dieser Eigenschaft am Verfahren beteiligt ist (BSG, Beschluss v. 6.6.2018, B 11 AL 91/17 B m. w. N.). Die in § 183 aufgeführten Personengruppen sind aber nicht pauschal privilegiert, sondern nur im Streit um bestimmte soziale Rechte. Die Privilegierungstatbestände aus § 183 erfassen sämtliche Ansprüche, die sich aus den aufgezählten Verhältnissen ergeben können, wie z. B. Streitigkeiten um die Aufhebung oder Abänderung von Feststellungen, die Höhe oder die Rückforderung von Leistungen, die Verzinsung oder das Vollstreckungsverfahren, sofern die Sozialgerichtsbarkeit für das Verfahren zuständig ist, wie auch unstatthafte Rechtsmittel (BSG, Beschluss v. 14.11.2016, B 10 SF 14/16 S; a. A. LSG Bayern, Beschluss v. 21.11.2019, L 20 KR 1/19 B ER). Greifen keine speziellen kostenrechtlichen Vorschriften über Gebührenfreiheit ein, sind grundsätzlich die allgemeinen Regelungen der §§ 183, 197a Abs. 1 Satz 1 heranzuziehen, wonach Kosten nach dem GKG nur dann erhoben werden, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen gehört.
Die Aufzählung der kostenprivilegierten Personen ist abschließend. Kostenprivilegierte Personen sind
- Versicherte,
- Leistungsempfänger, einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger,
- Behinderte,
- Sonderrechtsnachfolger,
- sonstige Rechtsnachfolger,
- die nach Satz 3 und 4 gleichgestellten Personen.
Rz. 8
Versicherter ist – unabhängig vom Ausgang des Verfahrens – jeder Beteiligter, über dessen Status als Versicherter gestritten wird (§ 183 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3; BSG, Urteil v. 5.10.2006, B 10 LW 5/05 R). Versichert ist, wer aufgrund einer Pflichtversicherung oder einer Selbstversicherung einem Zweig der Sozialversicherung oder der Arbeitslosenversicherung angehört (BSG, Urteil v. 15.10.1964, 7 RAr 63/63; vgl. Komm. zu § 12 Rz. 4, § 16 Rz. 3). Streitgegenstand des Verfahrens muss der Status als Versicherter oder die auf dem Versichertenstatus beruhenden Rechte und Pflichten sein. Das Kostenprivileg von Versicherten ist nicht nur auf Verfahren, die Leistungsansprüche zum Streitgegenstand haben, beschränkt, sondern umfasst auch Verfahren, deren Gegenstand nicht leistungsrechtliche Ansprüche sind (LSG Bayern, Beschluss v. 26.9.2005, L 1/3 U 291/04). Dies ist der Fall, wenn Gegenstand des Verfahrens Nachwirkungen eines vormals bestehenden und noch nicht vollständig abgewickelten Versicherungsverhältnisses sind, wie z. B. rückständige Beitragsforderungen (BSG, Urteil v. 5.10.2006, B 10 LW 5/05 R) oder die Rückabwicklung von Beitragszahlungen aus fehlgeschlagenen Versicherungsverhältnissen (BSG, Urteil v. 12.12.2007, B 12 AL 1/06 R).
Selbständige oder Unternehmer, die in ihrer Versicherteneigenschaft am Verfahren beteiligt sind, sind kostenprivilegiert. Dies gilt grundsätzlich für sog. leistungsrechtliche Verfahren – Verfahren, die einen Anspruch auf Leistungen betreffen. Ebenfalls greift bei beitragsrechtlichen Streitigkeiten in der gesetzlichen Kranken-, Renten...