Rz. 6
Die Pauschgebühr fällt für jede Streitsache an. Gebührenrechtlich ist unter einer Streitsache jedes bei einem Gericht der Sozialgerichtsbarkeit anhängige Verfahren – der Rechtsstreit als Ganzes – zu verstehen, das durch eine Klageerhebung, Rechtsmitteleinlegung oder die Stellung eines Antrags in einem selbständigen Verfahren eingeleitet wird (BSG, Beschlüsse v. 29.6.2020, B 5 SF 9/20 S, v. 16.2.1971, 4 RJ 209/68, und v. 19.12.1973, 5 S 1/75). Der Begriff der Streitsache ist nicht streitgegenstandsbezogen zu verstehen (SG Fulda, Beschluss v. 29.8.2014, S 1 SF 33/14). Für jedes Verfahren entsteht eine Gebühr in jeder Instanz, unabhängig von der Zahl der im Verfahren verfolgten Ansprüche oder wie viele Personen an ihm beteiligt sind (objektive oder subjektive Klagehäufung; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 8.9.2008, L 1 SK 9/08). § 184 zielt darauf ab, das Tätigwerden eines Gerichts der Sozialgerichtsbarkeit in jeder Instanz mit einer Gebühr abzugelten.
Rz. 7
Die Einbeziehung eines Verwaltungsakts nach § 96 in ein Verfahren begründet keinen neuen Gebührentatbestand, da die Rechtswirkungen des § 96 innerhalb eines Rechtsstreits eintreten. Dies gilt nicht für den Fall des § 171 Abs. 2. Ein im Revisionsverfahren erteilter Verwaltungsakt gilt als mit der Klage beim Sozialgericht angefochten und eröffnet somit ein neues Verfahren.
Rz. 8
Neben Klageverfahren, einschließlich Wiederaufnahmeverfahren (§ 188), fällt eine Pauschgebühr in selbständigen Antragsverfahren an. Selbständige Antragsverfahren sind
- ein Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b (vgl. BSG, Beschluss v. 6.9.1993, 6 RKa 25/91 zu Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes),
- ein Antrag nach § 199 Abs. 2 (Bay LSG, Beschluss v. 16.7.1996, L 1 An 90/95; LSG Niedersachsen, Beschluss v. 3.11.1998, L 4 SF 1/98),
- Anhörungsrüge nach § 178a,
- ein Wiederaufnahmeantrag gegen einen Beschluss,
- Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (§§ 145, 160a), die das Verfahren vor dem Rechtsmittelgericht voll erschöpfen, also erfolglos sind oder nicht zur Einlegung des Rechtsmittels führen. Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde lösen keinen Gebührenanspruch aus, wenn sich ein Rechtsmittelverfahren anschließt (BSG, Beschluss v. 19.12.1975, 5 S 1/75),
- ein Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 201.
Rz. 9
Verfahren, die nur ein Zwischenverfahren oder ein Nebenverfahren darstellen oder einem als Hauptverfahren anzusehenden anderen Verfahren zuzuordnen sind, stellen keine Streitsache i. S. v. § 184 dar. Eine Widerklage, eine Anschlussberufung und -revision sowie ein unselbständiger Antrag, über den innerhalb und im Rahmen eines laufenden Verfahrens durch Beschluss entschieden wird, wie z. B. eine Entscheidung im Prozesskostenhilfeverfahren, ein Antrag nach §§ 138 bis 140, ein Befangenheitsantrag (§ 60), eine Erinnerung nach § 189 (BSG, Beschluss v. 19.2.2018, B 6 SF 3/17 S) begründen keinen Gebührentatbestand, da sie kein neues Verfahren eröffnen.