Rz. 2
Die ehrenamtlichen Richter üben ihr Amt mit gleichen Rechten wie ein Berufsrichter aus. Damit werden die Aufgaben der Amtsausübung nicht bezeichnet, sondern es wird lediglich klargestellt, dass ein ehrenamtlicher Richter bei der Ausübung der ihm kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben gegenüber einem Berufsrichter gleichberechtigt ist. Zur Ausfüllung dieses Gleichstellungspostulates ist es aber zwingend erforderlich, die Aufgaben (Rechte) der ehrenamtlichen Richter zu bestimmen. Die ehrenamtlichen Richter wirken bei der mündlichen Verhandlung mit, nicht jedoch bei Entscheidungen oder sonstigem Tätigwerden außerhalb der mündlichen Verhandlung (z. B. Beschlüsse, Gerichtsbescheide, Sachverhaltsermittlung). Lediglich im Verfahren vor dem Bundessozialgericht ist eine weitergehende Beteiligung der ehrenamtlichen Richter vorgesehen (§§ 160a, 170a – Mitwirkung bei Entscheidung über Nichtzulassungsbeschwerden und Äußerungsrecht zu Abfassung von Urteilen). In allen Instanzen haben sie das Recht, in der mündlichen Verhandlung Fragen zu stellen (§ 112 Abs. 4), bei der Entscheidungsfindung in der Beratung durch (sachliche) Darlegung ihrer Ansichten mitzuwirken und abzustimmen (§ 61 Abs. 2 SGG i. V. m. § 197 GVG – vor den Berufsrichtern und der jüngere vor dem älteren ehrenamtlichen Richter). Sie haben dabei das gleiche Stimmrecht wie die Berufsrichter, sodass in einer Kammer des Sozialgerichts der Vorsitzende allein durch die Stimmen der ehrenamtlichen Richter überstimmt werden kann. Die ehrenamtlichen Richter üben ihr Amt jedoch nur zusammen mit den Berufsrichtern aus.
Rz. 3
Die ehrenamtlichen Richter haben nicht das Recht außerhalb der mündlichen Verhandlung die Akten einzusehen oder Aktenauszüge zu erhalten (ebenso Schmidt, in: Hennig, SGG, § 19 Rz. 5). Ihre Mitwirkung ist auf die mündliche Verhandlung beschränkt. Die für die Mitwirkung und Entscheidung notwendigen Informationen erhalten sie durch den Sachvortrag, die Erörterung des Sach- und Streitstandes in der mündlichen Verhandlung sowie durch die Fragen an die Beteiligten und insbesondere an die Berufsrichter. Die Handhabung in der Praxis zeigt, dass die Annahme des Gesetzgebers, dies sei ausreichend, zutreffend ist; lediglich bei sehr komplexen Sachverhalten kann es angemessen sein, wesentliche Punkte chronologisch aufzulisten und den ehrenamtlichen Richtern in der Sitzung schriftlich vorzulegen. In Ausnahmefällen kann es sinnvoll oder gar erforderlich sein, Aktenauszüge vorab den ehrenamtlichen Richtern zu übersenden. Soweit Bildmaterial, Tonträger oder Filme Bestandteile der Akten sind, die für die Beurteilung relevant sind (z. B. etwa bei Angelegenheiten der Künstlersozialversicherung), muss den ehrenamtlichen Richtern der wesentliche Inhalt vor oder in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht werden. Es wird angenommen, dass eine weitergehende Information der ehrenamtlichen Richter durch Übersendung von Voten etc. für die mündliche Verhandlung zulässig ist (Binder/Bolay/Castendiek/Groß, SGG, § 19 Rz. 7; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 19 Rz. 3). Diese Entscheidung trifft allein der Spruchkörper und nicht die Gerichtsverwaltung, da es sich insoweit um eine der richterlichen Unabhängigkeit unterliegende Tätigkeit handelt. Eine Unterrichtung der ehrenamtlichen Richter vor der mündlichen Verhandlung (z. B. durch Übersendung der Voten) entbindet nicht vom Sachvortrag – selbst wenn die Beteiligten zustimmen. Denn der Spruchkörper kann nicht davon ausgehen, dass die übersandten Unterlagen gelesen wurden (BSG, Urteil v. 14.3.1968, 11 RA 140/67, SozR Nr. 8 zu § 112 SGG). Im weiteren Sinne zählen zu den Rechten der ehrenamtlichen Richter der Unfallversicherungsschutz (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII) sowie die rentenversicherungsrechtliche Fiktion des Arbeitsentgeltes (§ 163 Abs. 3 SGB VI).