1 Allgemeines
Rz. 1
§ 195 stellt eine Sonderregelung zu § 193 Abs. 1, HS 2 dar. Die Vorschrift regelt die Kostenerstattung im Verhältnis der Beteiligten zueinander bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs in einem nach § 183 gerichtskostenfreien Verfahren.
2 Rechtspraxis
2.1 Kostenverteilung bei einem gerichtlichen Vergleich
Rz. 2
§ 195 ordnet an, dass die Beteiligten (§ 69) bei einem gerichtlichen Vergleich kraft Gesetzes ihre Kosten selbst tragen.
Voraussetzung für die Anwendung der Kostenregelung des § 195 ist, dass
- die Beteiligten einen wirksamen Prozessvergleich (§ 101 Abs. 1) geschlossen und
- keine Vereinbarung über die Kosten im Vergleich getroffen haben.
Unerheblich ist, ob die Kostenregelung bewusst, unbewusst oder irrtümlich unterblieben ist.
Rz. 3
Falls die Beteiligten sich im Vergleich über die Kostentragung geeinigt haben, geht die Kostenvereinbarung der Regelung des § 195 vor. Die Kostenvereinbarung ist Grundlage der Kostenfestsetzung, einer gerichtlichen Entscheidung bedarf es nicht.
Rz. 4
Umstritten ist, ob die Beteiligten die Geltung des § 195 ausschließen können. Nach h. M. ist es zulässig, dass die Beteiligten einen Vergleich über die Hauptsache schließen, die Kosten aus der vergleichsweisen Regelung ausnehmen und wegen der Kosten eine Entscheidung nach § 193 beantragen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 23.9.1992, L 5 Ar 93/92; LSG Berlin, Beschluss v. 11.12.2002, L 17 B 44/02 P). Das Gericht hat über den Kostenantrag nach § 193 nach sachgemäßem Ermessen zu entscheiden. Dabei hat es sich an dem Inhalt der vergleichsweisen Einigung zu orientieren, wenn diese dem bisherigen Sach- und Streitstand entspricht (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 23.9.1992, a.a.O; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.12.2000, L 7 SB 221/99; LSG Bayern, Beschluss v. 11.7.2000, L 18 B 139/00 SB).
Eine andere Meinung in Literatur und Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass die Regelung des § 195 für die Beteiligten nicht disponibel ist (vgl. Zeihe, § 195 5a bis b; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 6.1.2000, L 10 P 19/99 P; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 21.2.1997, L 11 SKa 84/96). Dies bedeutet, dass die Regelung des § 195 im Verhältnis der Beteiligten zueinander grundsätzlich Anwendung findet, wenn die Beteiligten im Vergleich keine Kostenregelung treffen.
Rz. 5
Schließen die Beteiligten einen Teilvergleich, ist über die Kosten des Verfahrens unter Beachtung der Grundsätze des § 195 im verfahrensbeendenden Urteil nach § 193 zu entscheiden. Beteiligt sich ein Beigeladener am gerichtlichen Vergleich nicht, wird über seine Kosten nach § 193 entschieden; § 195 ist nicht anwendbar.
2.2 Kostentragung bei einem außergerichtlichen Vergleich
Rz. 6
Die Vorschrift des § 195 ist auf einen außergerichtlichen Vergleich nicht analog anwendbar (vgl. BSG, Beschluss v. 7.9.1998, B 2 U 10/98 R; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.3.2000, L 7 B 32/99 SB; LSG Niedersachsen, Beschluss v. 20.10.1997, L 7 S [Ar] 147/87). Über die Kosten des Verfahrens hat das Gericht auf Antrag nach § 193 und bei Klagerücknahme nach § 102 Satz 3 nach sachgemäßem Ermessen zu entscheiden. Eine zwischen den Beteiligten im außergerichtlichen Vergleich getroffene Kostenregelung ist zu berücksichtigen.
Literaturtipps
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Frehse, Lässt sich § 195 durch eine negative Kostenvereinbarung der Beteiligten abbedingen?, SGb 2001 S. 659. |
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Hahn, Der "klarstellende" § 101 Abs. 1 Satz 2 SGG ? – Prozessbeendigung durch schriftlichen Vergleich im sozialgerichtlichen Verfahren, NZS 2014 S. 368. |
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Masuch/Blüggel, Das Angebot auf Abschluss eines außergerichtlichen Vergleichs im Sozialgerichtsverfahren, SGb 2005 S. 613. |
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Roller, Die übereinstimmende Erledigungserklärung im Sozialgerichtsverfahren, NZS 2003 S. 357. |