Rz. 26
Soweit auf Sozialleistungen im Wege der Auf- bzw. Verrechnung zugegriffen wird, handelt es sich nicht um behördliche Vollstreckung im engeren Sinne. Eine Verteidigung hiergegen kann zunächst gegen den Bescheid gerichtet werden, mit dem die zur Aufrechnung gestellte Forderung festgestellt wurde. Wird dessen Vollziehbarkeit durch Widerspruch und Anordnung (bzw. deklaratorische Feststellung) der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 gehindert, so ist die Aufrechnung schon aus diesem Grunde rechtswidrig. Die Auszahlung der bereits einbehaltenen Beträge kann im Wege des Annexantrags nach § 86b Abs. 1 Satz 2 (vollstreckbar) tituliert werden. Da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gestaltend wirkt, ist sie einer Vollstreckung ihrerseits nicht zugänglich. § 86b Abs. 1 Satz 2 betrifft seinem Wortlaut nach lediglich Zeiträume in der Vergangenheit, in denen der Verwaltungsakt bereits vollzogen oder befolgt wurde. Bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Behörde auch künftig der einstweiligen Anordnung der aufschiebenden Wirkung zuwider handelt, so ist die Titulierung der Leistungspflicht für künftige Zeiträume in entsprechender Anwendung des § 86b Abs 1 Satz 2 möglich. Dies würde den Eilrechtsschutz auf ein Verfahren beschränken (anstelle eines ansonsten erforderlichen weiteren Verfahrens: Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2). Solche konkreten Anhaltspunkte für eine weitere Leistungsverweigerung dürften aber die Ausnahme sein.
Rz. 27
Der Leistungsempfänger muss in der vorbeschriebenen Situation im Übrigen vermeiden, dass eine durch Verwaltungsakt erklärte Aufrechnung (Handlungsform jedenfalls für das SGB II jetzt ausdrücklich in §§ 4a Abs. 2, 43 Abs. 4 SGB II geregelt) bestandskräftig wird. Hierfür ist der Widerspruch allerdings ausreichend. Die Aufrechnung setzt keine Leistungen herab, sondern ist eine bestimmte Form der Erfüllungshandlung. Sie setzt das Bestehen der Leistungspflicht in bisheriger Höhe gerade voraus. Gleiches gilt für andere Regelungen, die lediglich die Leistungsrichtung verändern, insbesondere die Abzweigung nach § 48 Abs. 1 SGB I oder die Anordnung der Direktzahlung von Unterkunftsleistungen an den Vermieter nach § 22 Abs. 7 SGB II (vgl. Aubel, jurisPK-SGB II, 3. Aufl. 2011, § 39 Rn. 14 f.). Der Widerspruch hat damit grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Zur Streitfrage, ob bei einer Versagung von Leistungen nach §§ 60, 66 SGB I (neben einem Antrag auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs) eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 in Betracht kommt, siehe LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 8.3.2010, L 13 AS 34/10 B ER, NZS 2011, 115 m. w. N.
Rz. 28
Bei der vorläufigen Leistungseinstellung ergeht kein anfechtbarer Verwaltungsakt. Die Rechtsdurchsetzung muss hier im Wege der allgemeinen Leistungsklage, ggf. flankiert durch ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2), erfolgen. Denn aus dem zugrunde liegenden Verwaltungsakt kann der Leistungsempfänger nach bislang wohl einhelliger Ansicht nicht vollstrecken.