Rz. 7
Durch die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird ein gerichtliches Verfahren, in welchem eine Forderung zugunsten des oder gegen den Insolvenzschuldner geltend gemacht wird, nach § 240 ZPO unterbrochen. Grundsätzlich ist eine gegen den Schuldner gerichtete Forderung, die vor der Insolvenzverfahrenseröffnung begründet ist (§ 38 InsO, Gläubiger der Insolvenzmasse, Insolvenzforderung), zur Insolvenztabelle anzumelden und die Leistungsklage des Gläubigers in eine Klage auf Feststellung zur Tabelle abzuändern.
Fordert ein Sozialleistungsträger Leistungen zurück, so erfolgt dies in aller Regel durch Bescheid. Wird dieser klagweise angefochten, so ist der Insolvenzschuldner in der Rolle des Klägers und nicht des Beklagten. Dennoch betrifft das Verfahren die Insolvenzmasse, so dass § 240 ZPO Anwendung findet. Für den weiteren Verfahrensgang ist entscheidend, ob man das Verfahren als Aktivprozess ansieht, also ein Verfahren, in dem der Schuldner ein Vermögensrecht in Anspruch nimmt, oder als Passivprozess, in dem eine Insolvenzforderung gegen den Schuldner geltend gemacht wird. Im ersteren Fall kommt § 85 InsO zur Anwendung, im Letzteren §§ 86, 87 InsO. Das LSG München hat den Weg über § 85 InsO gewählt (Urteil v. 22.1.2009, L 8 AL 110/08, juris, mit Anm. Padé in jurisPR-SozR 13/2009 Anm. 6).
Rz. 8
Gegen die Einordnung als Aktivprozess bestehen dogmatische Bedenken, denn im Ergebnis darf die rückfordernde Behörde wie jeder andere Gläubiger nur mit der Quote an der Verteilung des Schuldnervermögens teilhaben. Dies setzt grundsätzlich den Weg über §§ 87, 174 ff. InsO voraus, also die Anmeldung zur Tabelle und die Umstellung des Klageantrags im Ursprungsprozess in einen Feststellungsantrag zur Tabelle, wenn die Forderung bestritten wird (§ 180 Abs. 2 InsO). Die Behörde kann aber ihrerseits – als Beklagte – nicht den Klageantrag in einen Feststellungsantrag umstellen. Dies wirft die Frage auf, ob die Beklagte überhaupt eine Möglichkeit hat, die Wiederaufnahme des Verfahrens zu erzwingen. Der Anfechtungskläger und nachfolgend der Insolvenzverwalter haben in der Regel kein gesteigertes Interesse an der Fortführung. In dieser Situation kann das Aufnahmeverfahren nach § 85 Abs. 2 InsO weiterhelfen. Die Vorschrift verweist ihrerseits auf § 239 Abs. 2 bis 4 ZPO. Die von § 202 in Bezug genommene Unterbrechungsregel des § 240 ZPO wirft notwendigerweise die Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens auf. Das von der InsO in Bezug genommene Aufnahmeverfahren des § 239 Abs. 2 bis 4 ist ebenfalls von der Verweisung des § 202 erfasst. Es bietet einen sachdienlichen Weg, den umgedrehten Parteirollen im Anfechtungsprozess gerecht zu werden. Damit spricht vieles dafür, § 239 ZPO ebenfalls entsprechend anzuwenden.
Rz. 9
Im Ergebnis muss daher die Behörde die mit Verwaltungsakt geltend gemachte Forderung, wenn es sich um eine Insolvenzforderung handelt, zur Tabelle anmelden. Sie kann sodann, wenn der Insolvenzverwalter die Forderung bestreitet, das Verfahren aber nicht aufgreift, die Aufnahme und Verhandlung nach § 85 Abs. 2 InsO, § 239 Abs. 2 bis 4 ZPO erzwingen. Ist die Anfechtungsklage erfolglos, so muss der Insolvenzverwalter die Forderung als unbestritten zur Tabelle nehmen.