Rz. 21
Anfechtungs- und Verpflichtungsklage sind nur dann zulässig, wenn der Kläger schlüssig behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein (BSG, Urteil v. 17.6.2009, B 6 KA 18/08 R, SozR 4-1500 § 54 Nr 15 = MedR 2010, 652). Damit wird auch die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage erfasst. Sinn und Zweck der Regelung ist der Ausschluss von Popularklagen. Nach dem Vortrag des Klägers muss die Beeinträchtigung einer ihm zustehenden Rechtsposition und die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts möglicherweise in Betracht kommen (Möglichkeitstheorie). Ob die Beschwer tatsächlich besteht, ist in der Begründetheitsprüfung zu klären. Mithin gelten die gleichen Anforderungen wie im Verwaltungsprozess (vgl. dort § 42 Abs. 2 VwGO). Der Kläger muss – anders als der Wortlaut vermuten lässt – die Beschwer nicht ausdrücklich vortragen. Umgekehrt reicht es nicht aus, wenn er sich für beschwert hält und dies behauptet, obwohl eine Beschwer aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt.
Rz. 22
Der Kläger muss möglicherweise in eigenen Rechten verletzt sein. Das ist immer dann der Fall, wenn er Adressat eines belastenden Verwaltungsakts (ablehnender Bescheid, Aufhebungs- und Erstattungsbescheid) ist (Adressatentheorie). Nur dann, wenn es ausnahmsweise gesetzlich vorgesehen ist, darf der Kläger fremde Rechte einklagen (Prozessstandschaft). Eine solche Regelung enthält z. B. § 63 SGB IX. Danach dürfen bestimmte Verbände anstelle und mit dem Einverständnis der an sich klagebefugten behinderten Menschen klagen. Weitere gesetzliche Regelungen zur Prozessstandschaft sieht das SGB III für die Geltendmachung des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld, Wintergeld und Winterausfallgeld durch den Arbeitgeber und für die Klage der Fachspitzenverbände der Tarifvertragsparteien gegen Entscheidungen des Neutralitätsausschusses (§ 146 Abs. 6 Satz 1 SGB III) vor. Nach § 109 Satz 1 SGB VII können Personen, deren Haftung für Schadensersatzansprüche unfallverletzter Personen (möglicherweise) nach §§ 104 bis 107 SGB VII beschränkt ist, vor den Sozialgerichten feststellen lassen, ob dem Verletzten wegen eines Arbeitsunfalls Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung zustehen. Gemäß § 97 Satz 1 SGB VIII ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe berechtigt, Sozialleistungsansprüche der betreuten Jugendlichen klageweise geltend zu machen. Gemäß § 91a Satz 1 BSHG darf der Sozialhilfeträger die Feststellung einer dem Sozialhilfeempfänger zustehenden Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Das gleiche Recht steht gemäß § 27i Satz 1 BVG dem Träger der Kriegsopferfürsorge wegen der Sozialleistungsansprüche der Leistungsempfänger zu.
Rz. 22a
Ausgehend von der Möglichkeitstheorie verneint die Rechtsprechung des BSG bei Konkurrentenklagen im Vertragsarztrecht (Urteile v. 17.10.2007, B 6 KA 42/06 R, BSGE 99, 145 = ArztR 2008, 240 und v. 28.10.2009, B 6 KA 42/08 R, BSGE 105, 10 = MedR 2010, 511) die Anfechtungsbefugnis nur dann, wenn dem Konkurrenten offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise das geltend gemachte Recht zustehen kann. Anschließend erfolgt zur Begründetheit eine zweistufige Prüfung. Zunächst wird die Anfechtungsberechtigung geprüft. Ist dies zu bejahen, wird anschließend geprüft, ob die den Dritten begünstigende Entscheidung in formeller und materieller Hinsicht rechtmäßig ist. Die Anfechtungsberechtigung erfordert, dass die in der jeweiligen Konstellation drittschützenden Normen gemäß ihrem sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich den Drittschutz nach den Umständen des Einzelfalles in Person des Klägers auch tatsächlich eröffnen. Hierfür bedarf es Feststellungen dazu, ob zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 8. eine reale Konkurrenzsituation von wesentlichem Umfang hinsichtlich gleicher Leistungen existiert (BSG a. a. O.).
Rz. 23
Auch die (echte) Leistungsklage i. S. d. § 54 Abs. 5 ist nur dann zulässig, wenn der Kläger klagebefugt ist. Nach allgemeiner Auffassung ist § 54 Abs. 1 Satz 2 analog anzuwenden, denn das Interesse, Popularklagen auszuschließen, gilt hier in gleicher Weise. Auch mit dieser Klageart werden subjektive Rechte des Klägers geltend gemacht.