1 Allgemeines
Rz. 1
Die sozialgerichtliche Rechtsprechung zur Festsstellungsklage hat die gleiche Dogmatik herausgearbeitet, die auch der zivil- und verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage zugrunde liegt. Die von der Parallelnorm des § 43 VwGO abweichende Diktion hat in § 55 Abs. 1 Nr. 2 und 3 sowie Abs. 2 eine klarstellende Funktion. Die Wahlanfechtungsklage ist in § 57 Abs. 2 SGB IV geregelt.
2 Rechtspraxis
2.1 Klagegegenstand
Rz. 2
Gegenstand der Feststellungsklage ist die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses. Gegenstand der Feststellung muss jedoch nicht das Rechtsverhältnis im umfassenden Sinne sein. Zulässig ist es auch, auf Feststellung einzelner Rechte und Pflichten zu klagen, die auf dem Rechtsverhältnis beruhen und die vom Inhalt des Rechtsverhältnisses abhängen. Das Rechtsverhältnis muss konkretisiert sein. Rechtspositionen und Rechtszustände müssen sich zu einem Rechtsverhältnis verdichtet haben. Das Rechtsverhältnis braucht nicht notwendigerweise zwischen den Prozessbeteiligten bestehen; ein gegenüber einem Dritten bestehendes Rechtsverhältnis kann ausreichen. Das Rechtsverhältnis muss grundsätzlich gegenwärtig bestehen. Ein in der Vergangenheit liegendes Rechtsverhältnis kommt nur dann in Betracht, wenn daraus Rechtfolgen hergeleitet werden können, die in die Gegenwart hineinreichen. Ein künftiges Rechtsverhältnis kann nur dann Gegenstand der Feststellungsklage sein, wenn die besonderen Voraussetzungen der vorbeugenden Feststellungsklage gegeben sind.
Rz. 3
Die Elementenfeststellungsklage ist grundsätzlich unzulässig (BSG, Urteil v. 22.5.1974, 5 RKn 7/73 = BSGE 37 S. 247). Unzulässig ist daher, auf Feststellung bestimmter Vorfragen oder Rechtsfragen zu klagen, z. B. auf Feststellung der Anrechenbarkeit einer Ersatzzeit, isolierte Feststellung des Eintritts von Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit, eines bestimmten Geburtstages im Rentenversicherungskonto (BSG, SozR 3-2600 § 149 Nr. 3). Unzulässig ist auch die Klage auf Feststellung der Gültigkeit einer Rechtsnorm (BSG, Urteil v. 25.2.1966, 3 RK 38/65 = BSGE 24 S. 266) oder eines Gesamtvertrags (BSG, Urteil v. 1.7.1992, 14a/6 RKa 1/90 = BSGE 71 S. 42). Das SGG sieht ein Normenkontrollverfahren nicht vor; eine § 47 VwGO entsprechende Vorschrift gibt es nicht. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung eine Elementenfeststellungsklage dann für zulässig erachtet, wenn nur auf diese Weise effektiver Rechtschutz gewährleistet werden kann.
Rz. 4
Begehrt der Kläger eine Statusfeststellung, z. B. die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft (BSG, SozR 3-1300 § 44 Nr. 3), die Zulassung als Vertragsarzt, so hat die zuständige Behörde dies durch Verwaltungsakt festzustellen. Daher ist in diesen Fällen nicht die Feststellungsklage, sondern die Verpflichtungsklage die richtige Klageart.
2.2 Besondere Formen der Feststellungsklage
2.2.1 Vorbeugende Feststellungsklage
Rz. 5
Vorbeugender Rechtschutz gegen einen künftigen Verwaltungsakt kommt ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn effektiver Rechtschutz ansonsten nicht gewährleistet wäre. Dies ist dann denkbar, wenn mit dem Erlass des Verwaltungsakts ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstünde (BSGE 69 S. 256). Grundsätzlich muss jedoch der Erlass des Verwaltungsakts abgewartet werden. Das LSG Rheinland-Pfalz hat die vorbeugende Klage auf Feststellung der Geltung von Unfallverhütungsvorschriften für zulässig erachtet (Breithaupt 1993 S. 542).
2.2.2 Zuständigkeitsklage
Rz. 6
§ 55 Abs. 1 Nr. 2 hat deklaratorischen Charakter. Die Feststellung, welcher Versicherungsträger zuständig ist, wird bereits von Abs. 1 Nr. 1 erfasst. Sie beinhaltet die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses. Unzulässig ist die Zuständigkeitsklage dann, wenn die Frage der Zuständigkeit als Vorfrage Gegenstand einer bereits anhängigen Leistungsklage ist (BSG, Urteil v. 25.4.1984, 8 RK 30/83 = BSGE 56 S. 255). Seitdem § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I die Leistungspflicht des zuerst angegangenen Sozialleistungsträgers vorsieht, hat die Zuständigkeitsklage nur noch Bedeutung für den Zuständigkeitsstreit unter den Leistungsträgern.
2.2.3 Feststellung des Kausalzusammenhangs
Rz. 7
Auch § 55 Abs. 1 Nr. 3 hat deklaratorischen Charakter. Die Feststellung des Kausalitätszusammenhangs durch gesonderte gerichtliche Entscheidung hat besonders im Bereich der Unfallversicherung und des sozialen Entschädigungsrechts (Opferentschädigung, Soldatenversorgung, Kriegsopferversorgung) erhebliche praktische Bedeutung. Die Frage des Ursachenzusammenhangs ist oftmals die allein streitige Frage. Gegenstand dieser besonderen Form der Feststellungsklage ist die Feststellung des Ursachenzusammenhangs zwischen einem Arbeitsunfall, einer Berufskrankheit (BSG, Urteil v. 27.6.2006, B 2 U 77/06 R, SozR 4-1500 § 55 Nr. 4 = NZS 2007 S. 437 ) oder einer Schädigung (BSG, Urteil v. 5.7.2007, B 9/9a VS 3/06 R, noch unveröffentlicht; BSG, Urteil v. 30.1.1991, 9a/9 RV 22/89, BSGE 68 S. 128 = SGb 1992 S. 165) auf der einen Seite und einer bestimmten Gesundheitsstörung oder dem Tod des Versicherten bzw. des Geschädigten auf der anderen Seite. Ebenso kann die Feststellung beantragt werden, dass ein bestimmtes Ereignis als Arbeitsunfall a...