2.1 Statthaftigkeit des Normenkontrollantrags
2.1.1 Zulässiger Verfahrensgegenstand
Rz. 4
Zulässiger Gegenstand der Normenkontrolle sind nach Abs. 1 Satzungen oder andere im Rang unter einem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, die nach § 22a Abs. 1 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch und dem dazu ergangenen Landesgesetz erlassen worden sind. Während in den Flächenländern solche Regelungen als Satzungen von den Kreisen und kreisfreien Städten erlassen werden können, wenn ein Landesgesetz dies erlaubt, können die Regelungen in den Stadtstaaten (Berlin, Bremen, Hamburg) als Rechtsverordnungen ergehen.
Rz. 5
Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien, die ggf. aufgrund der Satzung oder Rechtsverordnung erlassen werden, können nicht Gegenstand einer Normenkontrolle sein, da diese keine Außenrechtssätze darstellen, sondern allein verwaltungsinterne Rechtswirkung entfalten. Obwohl ihnen unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG normähnliche Wirkung zukommen kann, ist dies allgemeine Auffassung in der verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur (Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rz. 29 ff. m.w. N.).
2.1.2 Antrag
Rz. 6
Abs. 1 normiert das Antragserfordernis. Anders als nach § 47 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 VwGO ist der Antrag nach § 55a nicht fristgebunden. Die Körperschaft, gegen die er sich richtet, muss angegeben werden. Gemäß Abs. 2 Satz 4 i. V. m. § 75 Abs. 1, 3 und 4 Satz 1 muss beantragt werden, Dritte (ein Land, eine Behörde oder eine Vereinigung) beizuladen.
2.1.3 Antragsbefugnis
Rz. 7
Die Antragsbefugnis besteht dann, wenn das Antragsvorbringen es zumindest als möglich erscheinen lässt, dass die in der zur Prüfung gestellten Norm getroffenen Festsetzungen hinter den gegenwärtig bereits aufgebrachten oder absehbar aufzubringenden tatsächlichen Aufwendungen des Antragstellers für Unterkunft und ggf. Heizung zurückbleiben und ihr deshalb bestimmende Wirkung für einen Anspruch des Antragstellers auf existenzsichernde Leistungen zukommen kann. Die Antragsbefugnis ist nicht davon abhängig, ob die Norm die in ihr angelegten Wirkungen tatsächlich hat und der Antragsteller deshalb des Schutzes im Normenkontrollverfahren bedarf. Das Antragsverfahren nach § 55a SGG dient nicht nur dem Individualrechtsschutz, sondern zugleich der objektiven Rechtskontrolle (BSG, Urteil v. 17.10.2013, B 14 AS 70/12 R, BSGE 114 S. 257 = NZM 2014 S. 677). Im Normenkontrollverfahren kommt es nicht auf die Wirkungen der zur Überprüfung gestellten Normen, auf ihre Vorteile oder Nachteile im Einzelfall, sondern auf ihre Übereinstimmung mit dem höherrangigen Recht an, denn es ist über ihre Gültigkeit und nicht über eine individuelle Rechtsverletzung zu entscheiden (BSG, Urteil v. 4.6.2014, B 14 AS 53/13 R, BSGE 116 S. 94 = NZS 2014 S. 749 m. w. N.).
Nach dem Vortrag des Antragstellers muss die Beeinträchtigung einer ihm zustehenden Rechtsposition und die Rechtswidrigkeit der Satzung oder der sonstigen untergesetzlichen Rechtsnorm möglicherweise in Betracht kommen (Möglichkeitstheorie). Ob die Beschwer tatsächlich besteht, ist in der Begründetheitsprüfung zu klären. Mithin gelten die gleichen Anforderungen wie im Verwaltungsprozess (vgl. dort § 42 Abs. 2 VwGO). Der Antragsteller muss - anders als der Wortlaut vermuten lässt - die Beschwer nicht ausdrücklich vortragen. Umgekehrt reicht es nicht aus, wenn er sich für beschwert hält und dies behauptet, obwohl eine Beschwer aber unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommt.
Rz. 8
Nach dem Willen des Gesetzgebers sind auch diejenigen Personen antragsbefugt, die möglicherweise in absehbarer Zeit in ihren Rechten verletzt werden. Dies gilt auch für Antragsteller, die Ansprüche aufgrund der Geltungserstreckung der Satzung nach § 35a Abs. 1 und 2 SGB XII geltend machen. Es entspricht der zur Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO normierten Regelung und der dazu vertretenen Auffassung (Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rz. 60 m. w. N.). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404 S. 132) soll diese Situation dann gegeben sein, wenn
- sie zwar noch keine Leistungen nach dem SGB II beziehen, aber absehbar ist, dass sie in naher Zukunft auf solche Leistungen angewiesen sein werden;
- die Leistungsempfänger nach dem SGB II, deren Bedarf für Unterkunft und Heizung noch in Höhe ihrer tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft berücksichtigt wird, die aber bereits eine Aufforderung erhalten haben, ihre Aufwendungen für die Unterkunft zu senken.
Die Antragsbefugnis besteht auch nach einer Änderung oder Fortschreibung der Satzung weiterhin, wenn die in der Satzung enthaltenen Werte für einen inzwischen zurückliegenden Zeitraum fortgelten (BSG, Urteil v. 17.10.2013, a. a. O.; Urteil v. 4.6.2014, a. a. O.).
2.1.4 Verfahrensbeteiligte
Rz. 9
Beteiligt sind der Antragsteller als natürliche Person (Abs. 2 Satz 1) und die Körperschaft, die die Satzung oder die sonstige untergesetzliche Rechtsnorm erlassen hat, als Antragsgegner (Abs. 2 Satz 2). Das Gericht kann der zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle Gelegenheit zur Äußerung geben, ohne sie im Übrigen am Verfahren ...