2.2.1 Kontrolldichte
Rz. 13
Die Rechtmäßigkeitskontrolle hat sich an den materiellrechtlichen Voraussetzungen der §§ 22a–22c SGB II zu orientieren (vgl. dazu die Kommentierungen zu diesen Vorschriften). Darüber hinaus sind die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass der Satzung nach Maßgabe der kommunalrechtlichen Vorschriften des jeweiligen Bundeslandes zu prüfen (vgl. dazu: Bätge, Zur Rechtmäßigkeit von kommunalen Satzungen nach den §§ 22a ff. SGB II und zum maßgeblichen Rechtsschutz, Sozialrecht aktuell 2011 S. 131). Eine Teilunwirksamkeit der Satzung kommt nach Maßgabe von § 44 Abs. 4 VwVfG i. V. m. § 139 BGB nur dann in Betracht, wenn es sich insoweit um abtrennbare Regelungen handelt (vgl. Bätge, a. a. O., S. 136; Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rz. 122). Rechtswidrigkeit hat bei Satzungen und sonstigen untergesetzlichen Rechtsnormen zwingend die Unwirksamkeit zur Folge (anders als bei Verwaltungsakten).
2.2.2 Form der Entscheidung
Rz. 14
Das LSG entscheidet durch Urteil oder durch Beschluss, wenn es eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält (Abs. 5 Satz 1). In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404) heißt es dazu: "Das Gericht soll die Beteiligten vorher anhören, wenn es beabsichtigt, durch Beschluss zu entscheiden. Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung kommt insbesondere in Betracht, wenn der Normenkontrollantrag offensichtlich unzulässig oder missbräuchlich ist."
Rz. 15
Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob Art. 6 Abs. 1 EMRK die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfordert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGM) legt den Anwendungsbereich der Vorschrift weit aus. Als zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen (civil rights and obligations) werden nicht nur zivilrechtliche Ansprüche im innerstaatlichen Sprachgebrauch verstanden. Der EGMR hat Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht nur für Rechtsstreitigkeiten um sozialversicherungsrechtliche Ansprüche (Urteil v. 29.5.1986, EGMR-E 3, 138 zum Anspruch auf Krankengeld und Urteil vom gleichen Tag, EGMR-E 3, 155 zum Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung) sondern auch z. B. auf einen Rechtsstreit um Kindergeld (EGMR 5. Sektion, Urteil v. 1.4.2010, 12852/08).
2.2.3 Allgemeinverbindlichkeit
Rz. 16
Kommt das Landessozialgericht zu dem Ergebnis, dass die Satzung oder eine andere nach Abs. 1 zu überprüfende Rechtsnorm gegen höherrangiges Recht verstößt, so erklärt es sie für unwirksam. Die Feststellung der Unwirksamkeit ist allgemein verbindlich und die Entscheidungsformel ist vom Antragsgegner ebenso zu veröffentlichen wie sie bekannt zu machen wäre. Die Bindungswirkung beinhaltet das Verbot gegenüber dem Antragsgegner, eine Rechtsvorschrift gleichen Inhalts und dem selben Fehler erneut zu erlassen, soweit sich die Sach- und Rechtslage nicht geändert hat (Kopp/Schenke, VwGO, § 47 Rz. 143 m. w. N.). Hat der Normenkontrollantrag keinen Erfolg, so wird er abgelehnt. Entsprechendes gilt für die Feststellung der teilweisen Unwirksamkeit.
Rz. 17
Die ablehnende Entscheidung ist nicht allgemeinverbindlich. Anderen möglichen Antragstellern gegenüber entfaltet das ablehnende Urteil oder der ablehnende Beschluss keine Rechtskraftwirkung, soweit sie nicht zum Verfahren beigeladen wurden. Gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 69 Nr. 1 erstreckt sich die Rechtskraftwirkung auf Beigeladene. Insofern hat die Beiladung eine nicht zu unterschätzende Wirkung zur Entlastung der Gerichtsbarkeit.
Rz. 18
Gemäß Abs. 5 Satz 3 soll für die Wirkung der Feststellung der Unwirksamkeit § 183 VwGO entsprechend gelten. Danach bleiben die aufgrund der für unwirksam erklärten Norm ergangenen nicht mehr anfechtbaren gerichtlichen Entscheidungen der Sozialgerichtsbarkeit unberührt. Das heißt, deren Rechtskraftwirkung wird nicht durchbrochen. Nach überwiegender Auffassung in der verwaltungsrechtlichen Literatur (dazu: Kopp/Schenke, VwGO, § 183 Rz. 5) gilt dies auch für unanfechtbare Verwaltungsakte. Diesen Gedanken greift die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3404 S. 132) auf und dürfte daher als authentische Norminterpretation zugrunde zu legen sein.
2.2.4 Rechtsmittel
Rz. 19
Es gelten die für Rechtsmittel gegen Urteile der Landessozialgerichte maßgeblichen Vorschriften. Die Revision zum Bundessozialgericht ist gemäß § 160 Abs. 1 zulässig, wenn das Landessozialgericht diese ausdrücklich zulässt. Ansonsten kann gemäß § 160a Abs. 1 die Nichtzulassung mit der Beschwerde angefochten werden.
2.2.5 Einstweilige Anordnung
Rz. 20
Nach Abs. 6 ist auf Antrag eine einstweilige Anordnung statthaft zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen. Wie die Vorschrift des § 47 Abs. 6 VwGO, die der Gesetzgeber kopiert hat, ist auch Abs. 6 unvollständig. Es sind Rechtsgedanken aus § 32 BVerfGG und § 86b entsprechend anzuwenden. An der erforderlichen Dringlichkeit fehlt es allerdings nicht bereits deshalb, weil der Antragsteller daneben einstweiligen Rechtsschutz nach § 86b Abs. 2 in Anspruch nehmen kann. Anders als nach § 32 BVerfGG muss die Anordnung nicht zum gemeinen Wohl dringend geboten sein. Insoweit ist § 55a eher auf den Allgemeinrechtsschutz bezogen. Z...