Rz. 6

Zur Kernaufgabe des Präsidiums gehört die Geschäftsverteilung (§ 21e Abs. 1 Satz 1 GVG). Allgemein gelten für die Geschäftsverteilung folgende Prinzipien:

  1. Vollstreckungsprinzip
  2. Abstraktionsprinzip
  3. Bestimmtheitsgrundsatz
  4. Stetigkeitsgrundsatz
  5. Jährlichkeitsprinzip
  6. Vorauswirkungsprinzip
  7. Geltungsprinzip

(dazu näher Kissel, GVG, § 21e Rn. 78 ff.). Das Präsidium legt unter Berücksichtigung der von der Justizverwaltung festgelegten Planstellen sowie der Bestimmungen gemäß §§ 10, 31, 40 die zu bildenden Fachkammern und -senate fest. Dabei ist weiter zu bestimmen, nach welchen Kriterien die Eingänge bei mehreren Kammern (Senaten) mit gleichen Fachgebieten zu verteilen sind (z. B. nach Anfangsbuchstaben, Wohnorten, Nummern der Eingangslisten). Die personelle Besetzung der Spruchkörper erfolgt ebenfalls durch das Präsidium, das aufgrund der Kenntnis der jeweiligen Richter in besonderem Maße geeignet ist, eine sachgerechte Verteilung vorzunehmen. Die Verteilung der Zuständigkeiten innerhalb eines Spruchkörpers erfolgt durch Beschluss der Mitglieder des Spruchkörpers und unterliegt grundsätzlich den gleichen Kriterien. Die Zuweisung eines Richters kann auf bestimmte Rechtsprechungsaufgaben innerhalb eines Spruchkörpers beschränkt werden. Die Geschäftsverteilung erfolgt für ein Jahr im Voraus und kann nur aus den in § 21e Abs. 3 GVG genannten Gründen (Änderung der Gesetzeslage, Wechsel eines Richters, dauernde Verhinderung) geändert werden. Die Vorschrift ist eng auszulegen, da mit der Geschäftsverteilung auch der gesetzliche Richter bestimmt wird. Nach Ende des Geschäftsjahres tritt die Geschäftsverteilung automatisch außer Kraft (BVerwG, Urteil v. 18.10.1990, 3 C 19/88).

 

Rz. 7

Zu den weiteren Aufgaben des Präsidiums gehört die Regelung der Vertretung (§ 21e Abs. 1 Satz 1 GVG) innerhalb des Gerichtes, nicht innerhalb des Spruchkörpers. Diese erfolgt durch Beschluss des Spruchkörpers. Gemeint ist damit die Bestimmung eines Vertreters bei vorübergehender Verhinderung (Urlaub, Krankheit, Weiterbildung), denn bei dauernder Verhinderung ist die Geschäftsverteilung insoweit zu ändern. Neben den oben genannten (tatsächlichen) Verhinderungsgründen sind noch die (rechtlichen) Verhinderungsgründe der Ausschließung vom Richteramt kraft Gesetzes (§ 60 SGG i. V. m. § 41 ZPO) sowie der Besorgnis der Befangenheit (§ 60 SGG i. V. m. § 42 ZPO) zu nennen. Im Regelfall bedarf es keiner offiziellen Feststellung der Verhinderung (z. B. bei Urlaub oder kurzfristiger Erkrankung). Soweit jedoch Zweifel am Bestehen einer Verhinderung bestehen, ist die Feststellung durch den Gerichtsleiter geboten.

 

Rz. 8

Bei der Geschäftsverteilung ist das sog. Selbstbestimmungsrecht des Präsidenten (§ 21e Abs. 1 Satz 3 GVG) zu beachten. Danach bestimmt er, welche richterlichen Aufgaben er wahrnimmt. Entsprechend rechtsstaatlicher Regelungen sind die von der anstehenden Entscheidung betroffenen Richter vor der Entscheidung des Präsidiums zu hören (§ 21e GVG). Ferner ist auf Antrag eines schwerbehinderten Richters die Schwerbehindertenvertretung anzuhören; nicht jedoch der Richterrat, wenn die Geschäftsverteilung ein Richterratsmitglied betrifft (BVerwG, Beschluss v. 7.8.1986, 2 B 76/86, NJW 1987 S. 1215). Eine Sonderregelung enthält § 21e Abs. 6 GVG, wonach das Präsidium zu hören ist, wenn ein Richter für Verwaltungstätigkeiten freigestellt werden soll. Das Anhörungsrecht ist erforderlich, da der betroffene Richter insoweit der Geschäftsverteilung durch das Präsidium entzogen wird.

 

Rz. 8a

Es gilt der Grundsatz, dass die Entscheidungen des Präsidiums einer Überprüfung entzogen sind (BGH, Urteil v. 14.9.1990, RiZ [R] 3/90). Von einem betroffenen Richter kann mittels Feststellungsklage eine verwaltungsgerichtliche Überprüfung der Entscheidung geltend gemacht werden (BVerwG, Urteil v. 28.11.1975, VII C 47.73). Allerdings wird dem Präsidium ein weiter Ermessens- und Beurteilungsspielraum zugestanden. Eine Verletzung dieses Ermessens- und Beurteilungsspielraumes ist etwa angenommen worden, wenn eine Maßnahme sich gegenüber einem Richter als willkürlich darstellt (BVerfG, Urteil v. 28.12.2007, 2 BvR 1431/07) oder ein Richter faktisch aus dem Amt gedrängt wird (BVerfG, Urteil v. 23.5.2012, 2 BvR 610/12 und 2 BvR 625/12). Da fehlerhafte Präsidiumsbeschlüsse zur nicht vorschriftsgemäßen Besetzung des Gerichts führen, können Verfahrensbeteiligte die Besetzung des Gerichts insoweit rügen und eine Inzidenterprüfung der Rechtmäßigkeit der Präsidiumsentscheidung durch Rechtsbehelfe (Nichtzulassungsbeschwerde, Revision, Verfassungsbeschwerde) bewirken. Ein Normenkontrollantrag ist jedoch nicht statthaft.

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