2.2.1 Vorbemerkung

 

Rz. 8

Nach § 41 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes in den dort (Nr. 1 bis 8) gelisteten Fällen ausgeschlossen. Ausgeschlossen sein kann immer nur ein Richter als natürliche Person, niemals das Gericht als solches. Richter ist, wer dienstrechtlich nach den Vorschriften des DRiG einen solchen Status innehat. Unbeachtlich ist, ob ein solcher Richter den Anforderungen des Art. 97 Abs. 1 GG (sachliche Unabhängigkeit) bzw. des Art. 97 Abs. 2 GG (persönliche Unabhängigkeit) genügt. Ein allgemein oder im konkreten Verfahren sachlich und/oder persönlich abhängiger Richter ist kein Richter i. S. d. Art. 97 GG. "Ungesetzlich" ist "auch der Richter, dessen sachliche oder persönliche Unabhängigkeit (Art. 97 GG) oder dessen Unparteilichkeit nicht gewährleistet erscheint" (vgl. BVerfG, Beschluss v.23.7.1988, 1 BvR 2470/94; hierzu auch Frehse, Kompensation-ÜGG, S. 142 f.). Demzufolge ist er nicht gesetzlicher Richter i. S. d. Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (Frehse, a. a. O., S. 143). Ungeachtet dessen ist für Zwecke des § 41 ZPO nur auf den dienstrechtlichen Status abzustellen. Auch ehrenamtliche Richter sind § 41 ZPO unterworfen (BSG, Beschluss v. 12.2.2003, B 9 SB 60/02 B). Ehrenamtliche Richter sind solche, die nach den Maßgaben der §§ 13 ff. SGG wirksam in dieses Amt berufen sind. Für Urkundsbeamte der Geschäftsstelle gilt § 60 Abs. 1 SGG i. V. m. § 49 HS 1 ZPO.

 

Rz. 9

Auf Sachverständige sind die §§ 41 ff. ZPO nur im Rahmen des § 406 ZPO anwendbar. Ein Ausschluss kraft Gesetzes ist nicht vorgesehen (vgl. Rz. 48). Der Sachverständige kann nach § 406 Abs. 1 ZPO wegen der Gründe, die den Ausschluss eines Richters von der Ausübung des Richteramtes vorsehen, abgelehnt werden. Die Gründe für den Ausschluss vom Richteramt sind gleichzeitig Gründe, dies es rechtfertigen, den Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen (BGH, Urteil v. 12.1.2006, VII ZR 207/04). Anders gewendet: Da § 406 ZPO nur von der Ablehnung des Sachverständigen spricht, greifen die Ausschlussgründe des § 41 ZPO nicht unmittelbar. Liegt bezogen auf den Sachverständigen allerdings eine der § 41 Nr. 1 bis 8 ZPO genannten Fallgestaltungen vor, ist das ggf. einem Befangenheitsantrag zugänglich (§ 406 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 42 Abs. 1 HS 1 ZPO). Das wiederum gilt nicht für den in § 41 Nr. 5 ZPO geregelten Interessenkonflikt. Der "in der Sache" in erster Instanz angehörte Sachverständige kann auch im Berufungsverfahren angehört werden. Er ist weder ausgeschlossen, noch dieserhalb befangen (vgl. Rz. 46).

 

Rz. 10

Die Ausschlussregelungen sind Ausnahmetatbestände (BVerfG, Beschluss v. 2.10.2017, 1 BvR 1574/17). Als solche sind sie abschließend (BSG, Beschluss v. 23.9.1997, 2 BU 31/97; BGH, Beschluss v. 18.12.2014, IX ZB 65/13; Beschluss v. 20.10.2003, II ZB 31/02; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 19.1.2012, L 8 SO 27/10 B ER; LSG Hessen, Urteil v. 13.7.2005, L 6/7 KA 564/02; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 4.6.1998, L 3 B 33/98; a. A. OLG Celle, Beschluss v. 5.4.2001, 9 W 94/01: analoge Anwendung des § 41 Nr. 3 ZPO; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 5.3.1998, L 5 S 2/98) und einer erweiternden oder analogen Auslegung nicht zugänglich (BVerwG, Beschluss v. 5.1.2010, 5 B 58/09; BFH, Beschluss v. 12.9.2007, X B 18/03; BGH, Urteil v. 4.12.1989, RiZ [R] 5/89; LSG Sachsen, Urteil v. 26.3.2015, L 3 SF 136/13 AB; vgl. auch Rz. 46 und 31).

Wird dem gerichtlichen Sachverständigen, der im selbständigen Beweisverfahren ein Gutachten erstellt hat, im Hauptsacheverfahren der Streit verkündet und tritt er in dem Rechtsstreit einer Prozesspartei bei, ist der Ausschlusstatbestand des § 41 Nr. 1 ZPO daher nicht gegeben (BGH, Urteil v. 12.1.2006, VII ZR 207/04).

2.2.2 § 41 Nr. 1 ZPO

 

Rz. 11

Nach § 41 Nr. 1 ZPO ist ein Richter (oder Urkundsbeamter der Geschäftsstelle, § 49 ZPO) von der Ausübung seines Amtes ausgeschlossen in Sachen, in denen er selbst Partei ist oder zu einer Partei im Verhältnis eines Mitberechtigten, Mitverpflichteten oder Regresspflichtigen steht.

 

Rz. 12

Der Richter ist ausgeschlossen, wenn er selbst Partei ist. Die ZPO enthält keine eigenständige Vorschrift, die festlegt, wer Partei ist. Der 2. Abschnitt des 1. Buchs der ZPO setzt dies als gegeben voraus. Demzufolge verhält sich § 50 ZPO auch nur zur Frage, wer parteifähig, nicht hingegen dazu, wer Partei ist. § 50 Abs. 1 ZPO knüpft die Parteifähigkeit an die Rechtsfähigkeit. Nach § 50 Abs. 1 ZPO ist jede rechtsfähige Person parteifähig; sie kann klagen (aktive Parteifähigkeit) und verklagt werden (passive Parteifähigkeit). Die Prozessordnungen der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten weichen hiervon ab. Statt des Begriffs "Partei" wird der Terminus "Beteiligter" verwandt. Im Gegensatz zur ZPO wird in den öffentlich-rechtlichen Prozessordnungen geregelt, wer Beteiligter am Verfahren sein kann (§ 63 VwGO, § 69 SGG und § 57 FGO). Die Beteiligtenfähigkeit bestimmen § 70 SGG und § 61 VwGO. Die FGO verzichtet hierauf. Stattdessen legt sie in § 58 FGO fest, wer zur Vornahme von Verfahrenshandlungen fähig ist. Di...

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