Rz. 122
Politische Äußerungen sind einem Richter nicht grundsätzlich verwehrt. Virulent wird das Problem namentlich hinsichtlich der Richter des Bundesverfassungsgerichts. Allerdings setzten das Grundgesetz und das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht es voraus, dass die Richter des BVerfG politische Auffassungen nicht nur haben, sondern auch vertreten und gleichwohl ihr Amt im Bemühen um Objektivität wahrnehmen. Das freie Wort zu politischen Vorgängen kann ihnen nicht abgesprochen werden. In einer politischen Stellungnahme als solcher kann ein Verfahrensbeteiligter im Allgemeinen daher vernünftigerweise keine Festlegung auf eine bestimmte Rechtsauffassung sehen (BVerfG, Beschluss v. 11.10.2011, 2 BvR 1010/10).
Rz. 123
Für Richter der Fachgerichtsbarkeiten gilt naturgemäß nichts anderes. Der Richter als Staatsbürger darf eine Meinung haben und diese nach Maßgabe des Mäßigungsgebots (§ 39 DRiG) auch äußern. Öffentlich geäußerte politische und/oder (verfassungs-)rechtliche Überzeugungen rechtfertigen als solche die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit (§ 42 Abs. 2 ZPO) daher nicht (OLG Bremen, Beschluss v. 6.12.2007, 4 WF 124/07; OLG Frankfurt, Beschluss v. 10.5.1990, 11 W 14/90). Grenzüberschreitungen sind dennoch möglich. Daraus kann im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit resultieren. Als Beispiel nach OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 19.4.2013, OVG 11 A 7.13: "Der Umstand, dass ein ehrenamtlicher Richter es trotz der eindeutigen Anfrage des Gerichts unterlassen hat offenzulegen, dass er in seiner parteipolitischer Funktion als ... des SPD Ortsvereins ... ein Positionspapier zur Diskussion über die Flugrouten des Flughafens Berlin-Brandenburg mitgetragen hat, in dem es auch um die Thematik des passiven Schallschutzes ging, genügt bereits für sich genommen, dass seine Mitwirkung an dem vorliegenden Verfahren den Eindruck mangelnder Objektivität erwecken kann. Dies gilt umso mehr, als der ehrenamtliche Richter ... auch in seiner zu dem Befangenheitsantrag eingeholten dienstlichen Äußerung die Unterzeichnung des Positionspapiers nicht erwähnt hat. Allein dieser Vorgang kann bei dem unbefangenen Verfahrensbeteiligten den Eindruck erwecken, dass der ehrenamtliche Richter nicht unvoreingenommen entscheiden werde."
Eine begründete Ablehnung kann im Übrigen dann vorliegen, wenn eine (rechts-)politische Äußerung eines Richters mit den Rechtsfragen eines anhängigen Verfahrens eng zusammenhängt (OLG Frankfurt, Beschluss v. 10.5.1990, 11 W 14/90). Soweit das OLG Bremen judiziert, die Besorgnis der richterlichen Befangenheit eines Vaters, der das Umgangsrecht für seine Kinder begehrt, könne gerechtfertigt sein, wenn der Richter sich vor lange zurückliegender Zeit öffentlich politisch zu Umgangsrechtsfragen geäußert habe und er sich in seiner dienstlichen Stellungnahme zu dem Ablehnungsgesuch damit inhaltlich nicht auseinandersetzt, so dass seine gegenwärtige Position nicht erkennbar werde (Beschluss v. 6.12.2007, 4 WF 124/07). Das OLG verkennt den Sinn und Zweck der dienstlichen Stellungnahme.