Rz. 12
Es verstößt gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn das SG durch Gerichtsbescheid entscheidet, ohne sichergestellt zu haben, dass die Beteiligten hierzu zuvor angehört worden sind. Ein derartiger Verfahrensfehler rechtfertigte nach früherem Recht, den Gerichtsbescheid aufzuheben und sie Streitsache an das SG zurückzuverweisen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 29.4.2010, L 10 U 2809/09). Infolge Änderung des § 159 Abs. 1 SGG durch Art. 8 des Vierten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze v. 22.12.2011 (BGBl I 3057) sind die Zurückverweisungsmöglichkeiten deutlich eingeschränkt. Verletzt das SG das- elementare – Prozessgrundrecht "Rechtliches Gehör" scheidet eine Zurückverweisung seither aus (s. die Kommentierung zu § 159 SGG). Durchaus andere Konsequenzen ergeben sich, wenn das LSG gegen die Vorgaben des § 153 Abs. 4 SGG verstößt. Eine Verletzung des § 153 Abs. 4 SGG führt zur unvorschriftsmäßigen Besetzung des LSG nur mit den Berufsrichtern und damit zum Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes (§ 202 Satz 1 SGG i. V. m. § 547 Nr. 1 ZPO). Eine derartige Verletzung liegt nicht nur vor, wenn das LSG überhaupt nicht berechtigt gewesen ist, über die Berufung im Beschlusswege zu entscheiden, sondern auch dann, wenn die nach § 153 Abs 4 Satz 2 SGG gebotene Anhörung unterblieben ist. Der absolute Revisionsgrund der nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des LSG führt – nach der entsprechenden Rüge – zur Aufhebung und Zurückverweisung, weil unwiderlegbar feststeht, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruht (BSG, Beschluss v. 17.11.2015, B 1 KR 65/15 B).
Rz. 13
Vor einer beabsichtigten Zurückweisung der Berufung durch Beschluss ist eine erneute Anhörung erforderlich, wenn sich nach der ersten Anhörungsmitteilung die Prozesssituation entscheidungserheblich ändert. Das ist etwa dann der Fall, wenn das LSG nach vorausgegangener Anhörungsmitteilung seine gegenüber den Beteiligten in einem entscheidungserheblichen Punkt geäußerte Rechtsauffassung ändert (BSG, Beschluss v. 20.10.2010, B 13 R 63/10 B, Breithaupt 2011 S. 690). Das Gericht verletzt den Anspruch auf rechtliches Gehör überdies, wenn es dem Kläger keine angemessene Frist zur Stellungnahme auf das Anhörungsschreiben einräumt (BSG, Beschluss v. 21.9.2010, B 2 U 145/10 B, Breithaupt 2011 S. 494). Weist das LSG nach einer Stellungnahme des Klägers zu einer beabsichtigten Entscheidung über die Berufung durch Beschluss darauf hin, dass es "bei den bisherigen Hinweisen verbleibt", muss es eine ausreichende Frist für eine erneute Stellungnahme einräumen (BSG, Beschluss v. 21.9.2010, B 2 U 145/10 B, Breithaupt 2011 S. 494). Geht ein Schriftsatz am Tag des Ablaufs einer richterlichen Frist ein und entscheidet das Gericht noch am selben Tag, sollte deutlich werden, dass der Inhalt des Schriftsatzes berücksichtigt wurde (vgl. BVerwG, Beschluss v. 18.06.1997, 4 B 69/97 NJW 1998 S. 553).