1 Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift bestimmt, wer an einem sozialgerichtlichen Verfahren beteiligt ist. Nur den Beteiligten stehen die gesetzlich vorgesehenen Verfahrensrechte zu, insbesondere auch die Rechtsmittelbefugnis (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 6.4.2006, L 4 B 33/06 KA ER, MedR 2006, 494 zum Fall einer unterlassenen notwendigen Beiladung). Nur sie werden durch ein Urteil gebunden (§ 141 Abs. 1 SGG; vgl. LSG Saarland, Urteil v. 19.12.2006, L 5b VG 9/99, juris). § 69 statuiert noch keine Voraussetzungen für die Beteiligtenfähigkeit oder die Klagebefugnis. Das SGG spricht wie auch die Verfahrensordnungen der übrigen öffentlich-rechtlichen Gerichtszweige nicht von Parteien (Ausnahme: § 118 Abs. 3 SGG), sondern von Beteiligten (vgl. § 63 VwGO, § 57 FGO).
2 Rechtspraxis
Rz. 2
Hauptbeteiligte des Verfahrens sind der Kläger, d. h. derjenige, der einen Anspruch gerichtlich geltend macht, und der Beklagte, d. h. derjenige, der in Anspruch genommen wird. Es können auch mehrere Kläger und Beklagte am Verfahren beteiligt sein (§ 74 SGG). Soweit eine Vertretung stattfindet, ist grundsätzlich der Vertretene der Beteiligte, nicht der Vertreter. Eine Ausnahme gilt für die sog. Parteien kraft Amtes wie Nachlassverwalter, Insolvenzverwalter und Testamentsvollstrecker. Sie sind Beteiligte und nicht gesetzliche Vertreter (Peters-Sautter-Wolf, SGG, 4. Aufl., 10/2010, § 69 Anm. 2 m. w. N.). Ein Wechsel auf Kläger- oder Beklagtenseite ist als Klageänderung i. S. d. § 99 SGG zu werten (vgl. BSG, Urteil v. 8.11.2001, B 11 AL 45/01 R, SozR 3-4100 § 128 Nr. 14; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 99 Rn. 6). Er ist auch in der zweiten Instanz noch zulässig, nicht aber in der Revisionsinstanz (vgl. BSG, Urteil v. 23.6.1959, 2 RU 257/57, BSGE 10, 97, 102; BSG, Urteil v. 5.9.2006, B 2 U 8/05 R, BSGE 97, 47, 53). Keine Klageänderung liegt vor, wenn eine unrichtige Bezeichnung eines Beteiligten lediglich durch Änderung des Rubrums berichtigt wird (vgl. auch zur Auslegung von Anträgen nach dem "Meistbegünstigungsprinzip" BSG, Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Während des laufenden Gerichtsverfahrens führt eine Funktionsnachfolge kraft Gesetzes zu einem Beklagtenwechsel (BSG, Urteil v. 12.2.2009, B 5 R 39/06 R, SozR 4-5050 § 15 Nr. 6; BSG, Urteil v. 9.12.1987, 10 RKg 5/85, SozR 1200 § 48 Nr. 14).
Rz. 3
Kläger und Beklagter müssen prozessführungsbefugt sein, d. h. das Recht haben, einen Prozess im eigenen Namen zu führen. Die Prozessführungsbefugnis ist als Zulässigkeitsvoraussetzung in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. BSG, Urteil v. 28.1.1958, 6 RKa 6/56, BSGE 6, 278; BSG, Urteil v. 25.11.1998, B 6 KA 75/97 R, BSGE 83, 128, 130). Davon zu trennen ist die Frage, ob der Kläger materiell berechtigt (aktiv legitimiert) und der Beklagte materiell verpflichtet (passiv legitimiert) ist. Fallen Prozessführungs- und Sachbefugnis auseinander, liegt ein Fall der Prozessstandschaft vor. Sie kann kraft Gesetzes (vgl. BSG, Urteil v. 6.3.1997, 7 RAr 42/96, SozR 3-4100 § 85 Nr. 1: Klage des Betriebsrats auf Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer) oder als gewillkürte Prozessstandschaft etwa aufgrund einer privatrechtlichen Vereinbarung bestehen, sofern der Dritte auch ein eigenes Rechtsschutzbedürfnis hat (vgl. BSG, Urteil v. 1.7.1959, 4 RJ 45/58, BSGE 10, 131, 134). Kein Fall der gesetzlichen oder gewillkürten Prozessstandschaft ist die Geltendmachung von Ansprüchen des Mitglieds einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 SGB II durch ein anderes Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft (BSG, Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 8/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; BSG, Urteil v. 7.11.2006, B 7b AS 10/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 2).
Rz. 4
Der Beigeladene wird durch Beschluss des Gerichts nach § 75 Abs. 1 und 3 SGG Beteiligter. Das SGG unterscheidet die einfache und die notwendige Beiladung. Die Beiladung tritt an die Stelle der in der ZPO vorgesehenen Streithilfe und Streitverkündung. Unter den Voraussetzungen des § 75 Abs. 5 SGG kann der Beigeladene auch verurteilt werden. Derjenige, der zu einem Verfahren nicht beigeladen worden ist, aber beizuladen gewesen wäre, ist nicht Verfahrensbeteiligter und kann daher auch kein Rechtsmittel einlegen (BSG, Beschluss v. 4.6.2002, B 12 KR 36/01 B, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 11.12.2009, L 9 KR 319/09 B ER, juris).
Rz. 5
Verstirbt ein Hauptbeteiligter, regelt sich die Nachfolge im Prozess nach § 202 SGG i. V. m. §§ 239 ff. ZPO. Die Rechtsnachfolge im materiellen Recht bestimmt sich für fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen im Bereich der Sozialversicherung nach den Sonderregelungen der §§ 56 ff. SGB I. Der Tod des Beigeladenen, auch des notwendig Beigeladenen, unterbricht das Verfahren nicht (BSG, Urteil v. 10.9.1980, 11 RK 1/80, SozR 1750 § 239 Nr. 2).