Rz. 25

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass für die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Erfolgsaussicht (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) besteht. Prozesskostenhilfe darf verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nicht überspannt werden. Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen (BVerfG, Beschlüsse v. 4.8.2016, 1 BvR 380/16 m. w. N., und v. 8.7.2016, 2 BvR 2231/13; BSG, Beschluss v. 5.9.2005, B 1 KR 9/05 BH).

 

Rz. 26

Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtsfrage abhängt. Danach ist Prozesskostenhilfe schon dann zu gewähren, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht ohne Schwierigkeit beantwortet werden kann (BVerfG, Beschlüsse v. 28.1.2013, 1 BvR 274/12, NJW 2013, 1727 m. w. N., und v. 9.10.2014, 1 BvR 83/12). Die Rechtsfrage soll im Prozesskostenhilfeverfahren nicht "durchentschieden" werden. Das Hauptsacheverfahren eröffnet dem Unbemittelten, wie dem Gegner, bessere Möglichkeiten der Entwicklung und Darstellung eines eigenen Rechtsstandpunktes (BVerfG, Beschluss v. 13.3.1990, 2 BvR 94/88). Bei Fehlen einer einschlägigen höchstrichterlicher Rechtsprechung kann die Ablehnung eines Prozesskostenhilfegesuchs gerechtfertigt sein, wenn die Rechtsfrage angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf Auslegungshilfen, die von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellt werden, ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (BVerfG, Beschlüsse v. 16.4.2019, 1 BvR 2111/17, und v. 16.1.2013, 1 BvR 2004/10; vgl. aber auch zur Abgrenzung BVerfG, Beschlüsse v. 14.2.2017, 1 BvR 2507/16, v. 8.7.2016, 2 BvR 2231/13, und v. 22.5.2012, 2 BvR 820/11). Dies gilt insbesondere für abwägende Subsumtionsentscheidungen im Einzelfall soweit die generellen Maßstäbe dieser Abwägung hinreichend geklärt sind (BVerfG, Beschluss v. 7.7.2020, 1 BvR 2447/19). Allein die Tatsache, dass ein Revisionsverfahren im Fall einer Revisionszulassung durch ein LSG anhängig ist, begründet auch noch keine Erfolgsaussicht, da das BSG an die Revisionszulassung gebunden ist (§ 160 Abs. 1, Abs. 3 SGG). Wenn das BSG auf eine Nichtzulassungsbeschwerde die Revision selbst zugelassen hat (§ 160a SGG) und damit das Bestehen eines Klärungsbedarfs annimmt, sind die Voraussetzungen des § 114 Abs. 1 ZPO gegeben (BVerfG, Beschluss v. 7.2.2012, 1 BvR 1263/11). Weil es ausreicht, dass Vertretbarkeit des Rechtsvorbringens anzunehmen ist, kommt es hinsichtlich der rechtlichen Bewertung nicht auf die Rechtsansicht des erkennenden Spruchkörpers, sondern eine allgemeine/objektive Betrachtung an (BGH, Beschlüsse v. 8.5.2013, XII ZB 624/12, und v. 5.3.2014, XII ZB 220/11; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 28.2.2014, L 32 As 2279/13 B PKH).

 

Rz. 27

Des Weiteren ist eine hinreichende Erfolgsaussicht i. S. v. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO gegeben, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt unübersichtlich ist oder weiterer Klärung bedarf und das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dies ist der Fall, wenn eine entscheidungserhebliche Tatsache zwischen den Beteiligten strittig ist und keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zulasten des bedürftigen Antragstellers ausgehen würde, oder wenn abzusehen ist, dass der Antragsgegner für das Vorliegen einer entscheidungserheblichen Tatsache beweisfällig bleiben wird (BVerfG, Beschluss v. 8.12.2009, 1 BvR 2733/06). Eine Beweisaufnahme muss ernsthaft in Betracht kommen und es dürfen keine konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausgehen würde (BVerfG, Beschluss v. 11.3.2020, 1 BvR 2434/19 m. w. N.). Die Erfolgsaussicht kann verneint werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BSG, Beschlüsse v. 5.9.2005, B 1 KR 9/05 BH, v. 4.12.2007, B 2 U 165/06 B m. w. N., und v. 17.2.1998, B 13 RJ 83/97 R; BVerfG, Beschlüsse v. 14.4.2003, 1 BvR 1998/02, und v. 29.9.2004...

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