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Trotz hinreichender Erfolgsaussicht wird Prozesskostenhilfe nicht gewährt, wenn die Rechtsverfolgung mutwillig ist. Mutwillig ist nach § 114 Abs. 2 ZPO eine Rechtsverfolgung dann, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (BT-Drs. 17/11472, 29; BSG, Beschluss v. 17. 10.2019, B 8 SO 8/18 BH, und Urteil v. 24.5.2000, B 1 KR 4/99 BH m. w. N.). Aus der gemäß Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechtsschutzgleichheit folgt, dass die mittellose Partei nur einer solchen "normalen" Partei gleichgestellt werden muss, die ihre Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt. Es ist nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, auf Kosten der Allgemeinheit bedürftigen Personen Prozesse zu ermöglichen, die eine wirtschaftlich leistungsfähige Partei bei vernünftiger und sachgerechter Einschätzung der Sach- und Rechtslage nicht führen würde (BGH, Beschluss v. 31.1.2019, III ZA 34/18). Bei der Prüfung ist ein strenger Maßstab anzulegen. Mutwilligkeit kann bei Begehren angenommen werden, bei denen die Rechtsverfolgung im objektiven Sinne – bei Ausnutzung der Kostenfreiheit – rechtsmissbräuchlich ist (BSG, Beschluss v. 5.9.2005, B 1 KR 9/05 BH). Die Höhe des Streitgegenstandes ist für die Beurteilung der Mutwilligkeit eines Rechtsschutzverfahrens nicht von Bedeutung (BT-Drs. 17/11472, 29). Mutwilligkeit kann angenommen werden, wenn ein Beteiligter sein Ziel auf andere Weise mit geringerem Kostenaufwand erreichen könnte, einen einfacheren Weg einschlagen könnte oder die Durchführung eines Klageverfahrens zur Wahrung der Rechte des Antragstellers nicht erforderlich ist (BVerfG, Beschluss v. 7.4.2010, 1 BvR 612/10; vgl. auch BSG, Beschluss v. 5.3.2015, B 8 SO 38/14 BH). Dies kann der Fall sein, wenn die Rechtsverfolgung durch die Erweiterung einer anhängigen Klage kostengünstiger als durch die Erhebung einer neuen Klage ist (BAG, Beschlüsse v. 8.9.2011, 3 AZB 46/10, und v. 17.2.2011, 6 AZB 3/11; BGH, Beschluss v. 21.11.2013, III ZA 28/13 m. w. N.). Ebenso kann eine mutwillige Prozessführung vorliegen, wenn ein Beteiligter trotz eines anhängigen Musterverfahrens zeitgleich ein weiteres Verfahren weiterbetreibt (BGH, Beschluss v. 21.11.2013, III ZA 28/13 m.w.N; LSG Hessen, Beschluss v. 27.11.2019, L 6 AS 185/19 B; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 29.1.2104, L 3 R 347/13 B zum Führen mehrerer Klageverfahren betreffenden mehrerer Rentenanträge; LSG Baden-Württemberg, Beschluss v. 1.9.2014, L 13 AS 3078/14 zum parallelen Betreiben von 2 Verfahren, in denen die gleichen Rechtsfragen zu klären sind; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 26.11.2014, L 6 AS 271/14 B PKH; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 15.12.2014, L 25 AS 2837/13 B PKH zur Aufteilung eines Rechtsstreites aufgrund eines einheitlichen Widerspruchsbescheides in mehrere Klageverfahren ohne nachvollziehbaren Grund). Prozesskostenhilfe kann nur für zweckentsprechende Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung verlangt werden. Einem Beteiligten, der auf Kosten der Allgemeinheit prozessiert, muss zugemutet werden, zulässige Maßnahmen erst dann vorzunehmen, wenn dies wirklich notwendig ist. Mutwilligkeit liegt auch vor, wenn eine Klage möglicherweise hätte vermieden werden können, indem der Antragsteller ihm schon früher bekannte, erstmals mit der Klage vorgetragene Umstände spätestens im Widerspruchsverfahren vorgebracht und so die Widerspruchsbehörde in die Lage versetzt hätte, den angefochtenen Verwaltungsakt unter allen maßgeblichen Gesichtspunkten zu überprüfen (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 25.2.2020, L 11 AS 859/18 B; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.10.2011, OVG 6 M 23.09).