2.1 Einfache Beiladung

 

Rz. 4

§ 75 Abs. 1 Satz 1 betrifft die einfache Beiladung. Sie setzt voraus, dass berechtigte Interessen Dritter durch die Entscheidung berührt werden. Ein berechtigtes Interesse besteht dann, wenn der Ausgang des Rechtsstreits für den Dritten in rechtlicher, wirtschaftlicher oder schützenswert ideeller Hinsicht von Bedeutung sein kann (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 75 Rn. 8; Zeihe, SGG, 8. Aufl. 11/2010, § 75 Rn. 7a; Peters/Sautter/Wolff, SGG, § 75 Anm. 3b). So hält es etwa das BSG in ständiger Rechtsprechung für sachgerecht, die Partner der Bundesmantelverträge zu solchen Streitverfahren einfach beizuladen, in denen inzident über die Gültigkeit einer Bestimmung dieser Verträge gestritten wird (vgl. BSG, Urteil v. 24.9.2003, B 6 KA 37/02 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 3). Die Entscheidung über die Beiladung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine einfache Beiladung. Demzufolge ist es kein Verfahrensfehler, wenn eine einfache Beiladung unterbleibt.

2.2 Notwendige Beiladung

 

Rz. 5

Eine notwendige Beiladung sieht das Gesetz in 3 Fällen vor (§ 75 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2); jeweils besteht ein Rechtsanspruch auf Beiladung.

 

Rz. 6

Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 ist in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts auf Antrag die Bundesrepublik Deutschland beizuladen. Sie wird durch das zuständige Bundesministerium vertreten. Durch die Beiladung soll die Bundesrepublik, die die Kosten des sozialen Entschädigungsrechts trägt, Einfluss auf den Prozess nehmen können (Leitherer, SGG, § 75 Rn. 9).

 

Rz. 7

Die weiteren Fälle der notwendigen Beiladung sind in § 75 Abs. 2 geregelt. Nach der ersten Alternative des § 75 Abs. 2 ist eine Beiladung notwendig und damit von Amts wegen vorzunehmen, wenn eine Entscheidung in die Rechtssphäre eines Dritten unmittelbar eingreifen kann (sog. echte notwendige Beiladung, BSG, Urteil v. 8.4.1992, 6 RKa 24/90, BSGE 70 S. 240, 242; Urteil v. 11.5.2011, B 5 R 22/10 R). Die Rechtskraft eines Urteils muss sich auch auf den Beigeladenen auswirken und zwar unmittelbar und nicht nur hinsichtlich einer Vorfrage (BSG, Urteil v. 19.12.1991, 12 RK 24/90, BSGE 70 S. 72, 74, 75). Die Möglichkeit divergierender Entscheidungen zu einem Lebenssachverhalt genügt nicht (BSG, Urteil v. 25.4.1991, 11 RAr 9/90, SozR 3-4100 § 134 Nr. 7).

 

Rz. 8

Um eine unechte notwendige Beiladung i. S. d. § 75 Abs. 2 Alt. 2 handelt es sich, wenn die gegen einen nicht passiv legitimierten Versicherungsträger erhobene Klage darauf gerichtet ist, den tatsächlich leistungsverpflichteten, aber nicht verklagten ("anderen") Versicherungsträger nach Beiladung zu verurteilen. Die Voraussetzungen für eine notwendige unechte Beiladung nach § 75 Abs. 2 Alt. 2 sind grundsätzlich erfüllt, wenn eine Leistungspflicht ernsthaft in Betracht kommt. Wurde die Beiladung im Berufungsverfahren versäumt, berechtigt § 168 Abs. 2 Alt. 2 SGG unter Berücksichtigung des Normzwecks nur zur Nachholung einer in der Vorinstanz versäumten notwendigen Beiladung (sog. vergessene Beiladung), wohingegen es dem Revisionsgericht verwehrt ist, insoweit Tatsachen zu berücksichtigen, die erst nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz entstanden sind und bei fortgesetztem Berufungsverfahren eine notwendige Beiladung bedingt hätten. Durch die mit dem Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege v. 11.1.1993 (BGBl. I S. 50) eingefügte Möglichkeit einer revisionsgerichtlichen Beiladung soll im Interesse der Verfahrenskonzentration die Aufhebung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an die Vorinstanz allein wegen einer unterbliebenen Beiladung vermieden werden (BT-Drs. 12/1217 S. 54). Insofern darf das BSG eine Beiladung nach § 75 Abs. 2 mit Zustimmung des Beizuladenden nur vornehmen, wenn die Beiladung in der Vorinstanz verfahrensfehlerhaft unterblieben ist. Nur dann wäre eine mögliche Zurückverweisung gerechtfertigt (zutreffend BSG, Urteil v. 18.5.2011, B 3 KR 7/10 R, SuP 2011 S. 648).

2.3 Fallgestaltungen

 

Rz. 9

Notwendig beizuladen ist bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung stets der begünstigte Dritte (vgl. BSG, Urteil v. 11.3.1987, 10 RKg 7/86, SozR 1500 § 75 Nr. 64). Ein häufiger Fall der Beiladung nach § 75 Abs. 2 1. Alt. ist die Beiladung des Sozialhilfeträgers, der einen Ersatzanspruch nach § 93 SGB XII (bis zum 31.12.2004: § 90 BSHG) angemeldet hat, im Streit zwischen Versichertem und Versicherungsträger wegen Leistung sowie umgekehrt des Versicherten im Erstattungsstreit zwischen Versicherungs- und Sozialhilfeträger (vgl. BSG, Urteil v. 23.2.1999, B 1 KR 6/97 R, SozR 3-1300 § 111 Nr. 7; Urteil v. 12.6.1986, 8 RK 61/84, SozR 1500 § 75 Nr. 60; Urteil v. 15.11.1989, 5 RJ 41/89, SozR 1500 § 75 Nr. 80; anders für einen Erstattungsstreit zwischen Krankenkassen BSG, Urteil v. 10.5.2005, B 1 KR 20/04 R, SozR 4-1300 § 111 Nr. 3; Zeihe, SGG, § 75 Rn. 15c, verneint generell die Notwendigkeit der Beiladung in diesen Fällen).

 

Rz. 10

Bei einem Streit über die Versicherungspflichtigkeit einer Beschäftigung ist der Arbeitnehmer bzw. Ar...

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