Rz. 7
Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1). Das entspricht der Regelung des § 80 Abs. 1 VwGO. Über § 154 Abs. 1, § 165 gilt die aufschiebende Wirkung auch im Fall der Berufung und Revision. Die aufschiebende Wirkung bezieht sich auf alle Verwaltungsakten, auch auf rechtsgestaltende und feststellende Bescheide, wie z. B. über die Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft in einer Krankenkasse, nicht aber auf bloße Gestaltungserklärungen (hierzu LSG Hessen, Beschluss v. 9.9.2011, L 9 SO 199/11 B ER).
Rz. 8
Auch wenn eine Behörde eine sich objektiv nicht als Verwaltungsakt darstellende Regelung als Verwaltungsakt erlässt, ist die Anfechtungsklage eröffnet. Einstweiliger Rechtsschutz erfolgt in diesen Fällen – auch – nach § 86a Abs. 1. In der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung und herrschenden Literaturmeinung ist anerkannt, dass gegen Bescheide, die ihrer äußeren Form nach Verwaltungsakten entsprechen und den Rechtsschein erwecken, eine abschließende Regelung zu treffen (Scheinverwaltungsakt) dieselben Rechtsbehelfe gegeben sind wie gegen "echte" Verwaltungsakten (Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Aufl. 2008, Rn. 936 m. w. N.; BVerwG, Urteil v. 26.6.1987, 8 C 21/86, BVerwGE 78 S. 3; VGH Bayern, Beschluss v. 15.11.2002, 3 CS 02.2258; OVG Bremen, Beschluss v. 21.8.2002, 1 B 143/02, NordÖR 2002 S. 420; OVG Schleswig-Holstein, Urteil v. 12.5.1999, 2 L 26/98, NordÖR 2000 S. 210; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 12.1.1998, B 2 S 432/97, JMBl.LSA 1998 S. 332/334; VGH Baden-Württemberg, Beschluss v. 7.12.1990, 10 S 2466/90, NVwZ 1991 S. 1195; a. A. Borchert, NJW 1972 S. 854: Feststellungsklage). Es wäre unbefriedigend, wenn der durch den Bescheid zur Erhebung einer Anfechtungsklage veranlasste Betroffene mit dieser Klage mangels eines anfechtbaren Verwaltungsaktes ohne weitere Prüfung abgewiesen wird und angesichts dessen wegen § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten tragen müsste (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 2.9.2011, L 23 SO 147/11 B ER, Sozialrecht aktuell 2011 S. 229). Der Empfänger eines Bescheides oder Widerspruchsbescheides braucht, was die weitere Rechtsverfolgung anlangt, nicht "klüger" zu sein, als es die (Widerspruchs-)Behörde ist; es kann nicht zu seinen Lasten gehen, wenn er sich so verhält, wie sich zu verhalten ihm der (Widerspruchs)bescheid – bei objektiver Würdigung – nahegelegt hat (BVerwG, Urteil v. 26.6.1987, 8 C 21/86, BVerwGE 78 S. 3). Dem wird im Ergebnis zugestimmt. Indessen hat die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg eine argumentative Unschärfe. Die Bezugnahme auf § 154 Abs. 1 VwGO trägt naturgemäß nur in den Fällen des § 197a Abs. 1. Rechnet der Kläger indes zum kostenprivilegierten Personenkreis des § 183, greift diese Überlegung nicht. Gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 entscheidet das Gericht auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren anders als durch Urteil endet. Bei der Entscheidung über die Kosten ist es in der Regel billig, dass der die Kosten trägt, der unterliegt. Es darf aber nicht nur auf das Ergebnis des Rechtsstreits abgestellt werden. Das Gericht muss alle Umstände des Einzelfalles berücksichtigen. So kann das Gericht auch den Anlass für die Klageerhebung berücksichtigen, z. B. wenn die Behörde durch unrichtige Beratung oder falsche Rechtsmittelbelehrung oder sonstige falsche Sachbehandlung Anlass für eine unzulässige oder unbegründete Klage gegeben hat (vgl. LSG Bayern, Beschluss v. 25.5.2009, L 2 B 733/07 U; vgl. auch LSG NRW, Beschluss v. 4.4.2001, L 10 B 15/01 SB; Urteil v. 11.9.2003, L 10 V 12/99, zur Kostenauferlegung wegen unzureichender Sachaufklärung). In diesen Fällen kann mithin die "unbefriedigende Rechtsfolge" (vgl. oben) in der Kostenentscheidung aufgefangen werden. Dieser Weg ist im Anwendungsbereich des § 197a versperrt. Ungeachtet dessen wird der Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg (a. a. O.) im Ergebnis gefolgt, allerdings getragen von der Erwägung, dass es einem durch einen Scheinverwaltungsakt Beschwerten wegen Art. 19 Abs. 4 GG möglich sein muss, diesen Schein zu beseitigen.