Rz. 22
Für das Vertragsarztrecht gelten Sonderregelungen. Das Verwaltungsverfahren vor den für die Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Zulassung zuständigen Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung ist zweistufig organisiert. Die Landesverbände der Krankenkassen bzw. Ersatzkassen sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen bilden bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder bei einem Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen eine gemeinsame Prüfungsstelle und einen gemeinsamen Beschwerdeausschuss (§ 106 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Prüfungsstelle und Beschwerdeausschuss nehme ihre Aufgaben jeweils eigenverantwortlich wahr (§ 106 Abs. 4a Satz 1 HS 1 SGB V). Gegen die Entscheidungen der Prüfungsstelle können die betroffenen Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen, die Krankenkasse, die betroffenen Landesverbände der Krankenkassen sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen die Beschwerdeausschüsse anrufen. Die Anrufung hat aufschiebende Wirkung. Für das Verfahren sind § 84 Abs. 1 und § 85 Abs. 3 SGG anzuwenden. Das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gilt als Vorverfahren (§ 78 SGG) bzw. als Widerspruchsverfahren (BSG, Beschluss v. 11.5.2011, B 6 KA 5/11 B). Im vertragsärztlichen Zulassungsrecht gilt ähnliches. Zur Beschlussfassung und Entscheidung in Zulassungssachen errichten die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen für den Bezirk jeder Kassenärztlichen Vereinigung oder für Teile dieses Bezirks (Zulassungsbezirk) einen Zulassungsausschuss (§ 96 Abs. 1 SGB V) und einen Berufungsausschuss (§ 97 Abs. 1 SGB V). Gegen die Entscheidungen der Zulassungsausschüsse können die am Verfahren beteiligten Ärzte und Einrichtungen, die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Landesverbände der Krankenkassen sowie die Ersatzkassen den Berufungsausschuss anrufen. Die Anrufung hat aufschiebende Wirkung (§ 96 Abs. 4 SGB V). Für das Verfahren sind § 84 Abs. 1 und § 85 Abs. 3 SGG des anzuwenden. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss gilt als Vorverfahren (§ 78 SGG).
Rz. 23
Das BSG sieht das Verfahren vor dem Beschwerde- bzw. Berufungsausschuss mit der Folge als "eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz" an, als der von diesen Gremien erlassene Verwaltungsakt selbstständig und nur dieser Gegenstand des anschließenden Gerichtsverfahrens ist (zum Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss: BSG, Urteil v. 21.4.1993, 14a Rka 11/92, BSGE 72 S. 214; Urteil v. 9.3.1994, 6 RKa 5/92, BSGE 74 S. 59; Urteil v. 21.4.1993, 14a RKa 11/92, SozR 3-1300 § 35 Nr. 5; zum Verfahren vor dem Berufungsausschuss: BSG, Urteil v. 27.1.1993, 6 RKa 40/91, SozR 3-2500 § 96 Nr. 1; Urteil v. 9.6.1999, B 6 KA 76/97 R, SozR 3-5520 § 44 Nr. 1). Argumentativ liegt dem zugrunde, dass das Verfahren vor dem Berufungsausschuss und vor dem Beschwerdeausschuss "als Vorverfahren gilt" (§ 97 Abs. 3 Satz 2 SGB V, § 106 Abs. 5 Satz 6 SGB V). Mit der Anrufung werden Beschwerde- bzw. Berufungsausschuss ausschließlich zuständig. Das Verfahren vor diesen Gremien ist ein umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz, die eine selbständige und uneingeschränkte Überprüfung vornimmt (BSG, Urteil v. 2.6.1987, 6 RKa 23/86; Urteil 9.3.1994, 6 RKa 5/92, BSGE 74 S. 59). Dies hat zur Folge, dass ab dem Zeitpunkt der Anrufung des Berufungs- bzw. Beschwerdeausschusses nur noch diese Ausschüsse zuständig sind, so dass es den Zulassungsausschuss und die Prüfungsstelle gleichsam nicht mehr gibt (vgl. Clemens, in: juris-PK, SGB V, 2008, § 106 Rn. 281). Die das Prüfungsverfahren abschließende Entscheidung wird vom Beschwerdeausschuss getroffen und von diesem allein im gerichtlichen Verfahren vertreten. Bei Verfahrensfehlern (z. B. bei fehlender oder nicht ausreichender Begründung) ist grundsätzlich nur der Bescheid des Beschwerdeausschusses, nicht aber jener der Prüfungsstelle aufzuheben (BSG, Urteil v. 21.4.1993, 14a Rka 11/92, BSGE 72 S. 214). Verfahrensfehler vor der Prüfungsstelle (vgl. § 41 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 SGB X) werden durch ein ordnungsgemäßes Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss gemäß § 41 Abs. 2 SGB X geheilt (Henke, in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, SGB V, 4/2010, § 106 Rn. 55, 58). Insoweit wird von der im Verwaltungsverfahrensrecht geltenden Rechtslage abgewichen, derzufolge Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens immer der Bescheid der Ausgangsbehörde in der Gestalt des Widerspruchsbescheides ist (§ 95 SGG).
Rz. 24
Ausgehend davon, dass einstweiliger Rechtsschutz gegen Entscheidungen der Zulassungsausschüsse (hierzu auch § 65a Rz. 68) nicht möglich ist (LSG NRW, Beschluss v. 4.9.2002, L 10 B 2/02 KA ER, MedR 2003 S. 310; vgl. auch Beschluss v. 25.10.2006, L 10 B 15/06 KA ER; Frehse, in: Schnapp/Wigge, § 23 Rn. 107 ff.; a. A. Pawlita, in: juris-PK, SGB V, 2008, § 97 Rn. 41), ist Antragsgegner für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Verfahren auf Erteilung einer Ermächtigung/Zulassung ab Anrufung der Berufungsausschuss bzw. der Beschwerdeau...