Rz. 3
§ 90 regelt an sich nur, in welcher Form die Klage zu erheben ist und bei welchem Gericht. Es wird nicht definiert, was unter einer Klage zu verstehen ist. Darunter wird eine Prozesshandlung verstanden, mit welcher der Kläger zum Ausdruck bringt, er wolle eine konkrete Angelegenheit gerichtlich überprüfen lassen (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 28.2.2008, L 9 AS 7/08 ER, juris, Rn. 11; LSG Niedersachsen, Urteil v. 27.3.2001, L 9 VS 11/99; LSG NRW, Urteil v. 28.1.1999, L 7 SB 106/98).
Es kommt nicht auf die Bezeichnung der Erklärung an. Es schadet daher nicht, wenn der Schriftsatz beispielsweise als Beschwerde oder Widerspruch bezeichnet worden ist. Die Erklärung kann insoweit umgedeutet werden (BSG, Urteil v. 31.1.1974, 4 RJ 167/73, Breithaupt 1974 S. 811). Auch ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes kann als gleichzeitige Klageerhebung ausgelegt werden (LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 25.11.2009, L 8 B 458/09 R ER, NZS 2010, 120; LSG NRW, Beschluss v. 28.2.2008, L 9 AS 7/08 ER, juris, Rn. 11).
Rz. 4
Ob eine Klage gewollt ist, muss im Zweifelsfall durch Auslegung ermittelt werden. Es gilt die Auslegungsregel des § 133 BGB (BSG, Urteil v. 9.8.2006, B 12 KR 22/05 R, USK 2006 S. 75; LSG NRW, Beschluss v. 12.5.2010, L 7 AS 325/10 B, juris, Rn. 7; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 25.11.2009, L 8 B 458/09 R ER, NZS 2010, 120; LSG Bayern, Urteil v. 27.11.2009, L 14 R 978/08, juris). Dabei ist – ggf. durch Rückfrage bei dem Antragsteller – zu klären, was im Einzelnen begehrt wird. Neben einer vorzunehmenden Abgrenzung zu anderen Rechtsbehelfen ist zu fragen, ob überhaupt eine prozessrechtlich relevante Anfrage vorliegt. So kommt es in der Praxis durchaus vor, dass zunächst eine Beratung durch das Gericht gewünscht wird oder die Erhebung einer Klage nur angekündigt wird. Soweit erkennbar ist, dass die Klagefrist nach § 87 bereits läuft, sollte das Gericht hierauf hinweisen.
Rz. 5
Die Erhebung der Klage ist wie alle anderen Prozesshandlungen bedingungsfeindlich. Die Klageerhebung kann insbesondere nicht von der Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht werden (vgl. hierzu LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 26.1.2010, L 5 AS 1949/09 B PKH, juris; Beschluss v. 3.1.2007, L 5 B 1178/06 AS PKH; LSG NRW, Beschluss v. 27.5.2009, L 19 B 217/08 AS, juris). Hierfür besteht jedenfalls für die in § 183 aufgeführten Personengruppen aber auch kein Bedürfnis, da das Verfahren für sie – vorbehaltlich einer Kostenentscheidung nach § 192 – kostenfrei ist. Anders ist dies seit Inkrafttreten des 6. SGGÄndG am 2.1.2002 für die Verfahren, in denen Kosten nach dem GKG zu erheben sind (§§ 184, 197a). Im Falle der Ablehnung des PKH-Antrags kann die Klage zurückgenommen werden, ohne die zwingende Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO. Denkbar ist zwar, dass der Kläger dann außergerichtliche Kosten der/des Beklagten übernehmen muss. Beklagte sind aber im Regelfall Behörden und die Aufwendungen von Behörden sind regelmäßig nach § 193 Abs. 4 nicht erstattungsfähig. Die Gerichtsgebühren ermäßigen sich bei rechtzeitiger Rücknahme (Anl. 1 zu § 3 Abs. 2 GKG in der ab dem 1.7.2004 geltenden Fassung des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes, BGBl. I Nr. 21).